Jürgen Kisters
Georg Baselitz
Galerie Michael Werner, 8.6. – 20.7.1998
Warum Rosen? Diese Frage muß gestellt werden, wenn die Frage, warum die Bildmotive nach so vielen Jahren noch immer auf dem Kopf stehen, schon nicht beantwortet wird. Sie stehen einfach auf dem Kopf und irritieren die Wahrnehmung, obwohl sie längst nicht mehr irritierend sind. Man hat sich daran gewöhnt, sofern man sich an das Ver-kehrte überhaupt gewöhnen kann. Und so sorgt Georg Baselitz in seinen neuen Arbeiten, den “Rosenbildern”, auch keineswegs für etwas überraschend Neues, sondern führt vor, was wir von ihm kennen: solide Malerei aus der Perspektive eines Künstlers, der die Welt aus einem ungewohnten Blickwinkel sieht, und der am liebsten auf dem Kopf gehen möchte. Baselitz’ Stärke sind seine malerische Kraft und sein Schwung im Umgang mit Pinsel und Farben.
Die sechzehn großformatigen Gemälde, die in der Galerie Werner zum ersten Mal öffentlich ausgestellt wurden, sind im Anschluß an die Serie der sogenannten “Familienbilder” entstanden. Waren diese sehr persönlich geprägt, nimmt der Maler in den Rosenbildern das allgemeine Thema der “Heimat” ins malerische Visier. Was ist Heimat? Welche Farben hat die Heimat? Welche Gesten oder Bilder konstruieren und bewahren die Erfahrung, die sich Heimat nennt? Baselitz greift in seinen Bildern auf Motive der osteuropäischen Volkskunst, auf Aspekte des Märchens und religiöser Symbolik zurück. Rosen sind seit jeher voller Anspielungen, setzen vielfältige Assoziationen im Feld der Liebe frei, verweisen auf Dornröschen auf der einen und klösterliche Rosengärten auf der anderen Seite. Als äußerst komplexes, ambivalentes Symbol bedeutet die Rose sowohl himmlische Vollkommenheit…