Jürgen Kisters
Georg Baselitz, ’45
Galerie Werner, Januar – März 1990
Zwanzig wuchtige Bilder von Georg Baselitz hängen in einem Raum: in zwei Reihen, über Eck, jeweils zwei übereinander gehängt. Als Serie ’45 fügen sich die je 200 x 162 Zentimeter großen Bildwerke in der Galerie Werner zu einem geschlossenen Ensemble zusammen, das monumental wie ein Wandbild wirkt und filigran wie ein großer kolorierter Holzschnitt. Der Raum wird zu einer Art sakraler Kammer, deren farbliche Fülle die Betrachter sogleich erschlägt. Sie können auf Stühlen Platz nehmen: klein und überwältigt von der “Größe” der Kunst, zu der es hinaufzuschauen gilt. Erreicht die Inszenierung auch nicht die komplexe sinnliche Kraft von Rubens’ Medici-Raum im Pariser Louvre, so wird doch fraglos eine ähnliche Wirkung angestrebt und zum Teil auch erreicht. Wie dort steht satte Körperlichkeit im Mittelpunkt. Wo aber jedes einzelne Rubensgemälde in sich geschlossen ist, wirken die Baselitz-Stücke nur als Komplex. Jedes einzelne Bild braucht die Fülle des Ganzen, um nicht ins Belanglose abzustürzen. Als dieses Ganze lohnt sich allerdings eine geduldige Betrachtung, indem die einzelnen Bildwerke ständig einander zuspielen, plötzlich aus der Masse auftauchen, Vergleiche herausfordern sowie Reihenbildungen oder Verwandlungslinien erfinden lassen.
Jede der großen sperrholzverleimten Tischlerplatten wurde mit kräftigen, nie gänzlich unkontrollierten Hieben, Rissen und Schnitten einverleibt und in bewegte Bildräume verwandelt. In der betont heftigen Bearbeitung der Holzoberfläche sind Felder der Gewalt und Verletzung entstanden, eine teils gerasterte Struktur, in der Wildheit und System eine merkwürdige Balance eingehen. Eine dicke Farbschicht wurde vielfach zerstört und wieder aufgetragen, so daß am Ende jeweils…