Manuela Branz
Gelungenes Scheitern
Scheitern in der Postmoderne
Scheitern und Gelingen werden als Gegensätze betrachtet. Scheitern ist dementsprechend unattraktiv, erst im Erfolg aufgehoben darf sein Potential wahrgenommen werden, erst aus der Distanz seiner Überwindung wird ihm ein Sinn zugesprochen: Am Scheitern gewachsen entfernt sich der Erfolgreiche scheinbar immer mehr aus seinen Scheiterungsfallen, er scheitert nur, um nicht mehr zu scheitern. Innerhalb des künstlerischen Prozesses wird Scheitern zwar im allgemeinen als Durchgangsstadium akzeptiert und sogar verklärt, allerdings wird das Scheitern weniger als notwendiger Bestandteil des Schaffensprozess betrachtet, eher als ein Umweg, ein Ausscheren, ein zu überwindender außerkünstlerischer Zustand. Wer den Zustand nicht überwinden mag, hat gemäß dieser Vorstellung kein Werk geschaffen, das Gescheiterte ist so wertlos wie das nie Entstandene.
1. Scheiterungsangst
Im Scheitern offenbaren sich die Grenzen des aufgeklärten, auf Effizienz angelegten bürgerlichen Systems. Umgekehrt kann man aber auch die bürgerliche Existenz als Gegenentwurf zu Scheiterungsexistenz betrachten, als Programm gegen die Scheiterungsanfälligkeit allen Strebens, als Schutz gegen Kontrollverlust und Tod. In der Künstlerexistenz mit ihrer Scheiterungsnähe verdeutlichte sich für das aufgeklärte (Bildungs-)Bürgertum die Ambivalenz des Scheiterns. War der Künstler bis in das 19. Jahrhundert hinein lediglich eine Sonderform des Bürgers, entfremdete er sich im Zuge der Herausbildung künstlerischer Autonomie, seine Existenz verlor an Legitimität, je weniger sie sich seine Produkte in bürgerliche Sinnzusammenhänge einreihen mochten. Daraus erklärt sich ein grundsätzliches Misstrauen, das den Künstler insgesamt, besonders aber den gescheiterten Künstler in eine Außenseiterposition rückt, aber auch andererseits das Aufkommen einer Scheiterungsromantik, die die Weltabgewandtheit und den Idealismus des Künstlers als Gegensatz zum bürgerlichen…