JOCHEN HÖRISCH
Geld, Geist und Information
EIN GESPRÄCH VON STEFAN KREMPL
Der Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch hat sich viel vorgenommen. Er schreibt an nichts geringerem als einer “Genealogie” der Medien. In seinem Buch “Kopf oder Zahl” analysiert er die Funktion des Mediums Geld in der Literaturgeschichte und versucht, eine “Poesie des Geldes” zu erstellen.
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Stefan Krempl: Wozu haben wir Medien und wie haben sich die Medien entwickelt?
Jochen Hörisch: Eine der wichtigsten Medienaufgaben ist das Versammeln. Als eines der ersten zentralen “Massenmedien” sehe ich daher das Abendmahl, die Feier der Kommuni(kati)on. Es ist teilnahmepflichtig und dient dem gemeinsamen Austausch. Im Laufe der Neuzeit ging seine mediale Funktion allerdings mehr und mehr auf das Leitmedium Geld über, das die Teilnahmepflicht am medialen System noch verstärkt hat: Wer kein Geld hat, keine Gebühren zahlt, bleibt draußen vor.
Was haben Geld und Abendmahl gemeinsam?
Das Mediensystem Geld hat viele Grundzüge der Religion übernommen, das Abendmahl ist zur Bank geworden: Bankgebäude sind die Tempel und Kirchen der Moderne. Sie ähneln sich sowohl vom Aussehen als auch in ihrem “sakralen Charakter”. Geld wird genauso geweiht wie religiöse Gegenstände. Es hat oftmals Fetischcharakter und leitet seine mediale Kraft direkt “von oben” her: “In God we Trust” steht nicht umsonst auf den Dollarnoten. Die Heilige Messe ist zur Konsumgütermesse geworden, und wer aus dem System herausfällt, leistet einen “Offenbarungseid”. Die Verschiebung im Mediensystem spiegelt sich auch in der Literaturgeschichte: Vom 18. Jahrhundert an wächst die Zahl der Romane drastisch an, in denen Geld zumindest unterschwellig eine sehr wichtige Rolle spielt, in der die Beerbung…