GELATIN
RISIKOBEFRIEDIGUNG
VON MERET ERNST
Schon mal überlegt, was sich alles mit Pet-Flaschen machen lässt, statt sie brav in die Recyclingtonne zu werfen? Gelatin, die vier Überflieger aus Österreich (Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither, Tobias Urban), füllten damit im Frühjahr 2002 einen Teil der Kunsthalle St. Gallen ab. Bis knapp unter die drei Meter hohe Decke kugelten zu Tausenden 1,5-Liter-Flaschen jungfräulich sauber und leer in einem Raum, den niemand einsehen konnte. Es sei denn, er oder sie ließe sich über eine abenteuerliche Vorrichtung Kopf voran hineinschieben.
SUCHE NACH DEM AUSWEG
Der Entscheid, auf die aus Sperrmüll konstruierte Einspritzvorrichtung zu klettern, einer Mischung zwischen einem überdimensionierten Klistier und einer CT-Röhre, fällt nicht ganz leicht. Hält das Zeug? Ist das sicher? Die zu unterschreibende Verzichtserklärung, allfällige Schäden der Kunsthalle oder den Künstlern anzulasten, und die genaue Einweisung, was man bei Panik zu tun habe, ist Teil einer präzisen Strategie, die sich erst nach dem Bad in Pet erschließen wird.
Also rein! Schließlich stürzte man sich ja auch schon von Brücken und aus offenen Flugzeugen ins Leere, taucht öfters tiefer als erlaubt und nimmt regelmäßig das Auto, um von A nach B zu gelangen – Letzteres meist ohne nennenswerten ästhetischen Gewinn. Und der ist hier beträchtlich – nachdem die erste Panik überwunden ist. Zuerst buddelt man sich an die Oberfläche, versucht die Atmung unter Kontrolle zu halten und sucht leicht nervös nach dem Ausweg – einer Rampe, auf der man aus dem Flaschenmeer hinausrutschen kann.
Unvermittelt schweift dabei der Blick über die Flaschen: ein Bild von berückender Schönheit,…