Ernst Bloch:
Geist der Utopie
Das noch nicht bewußte Wissen und das tiefste Staunen
Und nun, wir selber kommen bloß erinnert Überhaupt nicht vor. Eben: wir leben uns, aber wir “erleben” uns nicht, was indes niemals bewußt wurde, kann auch nicht unbewußt werden. Sofern wir an uns selber nirgends noch, weder im gerade gelebten Augenblick noch unmittelbar danach jemals vergegenwärtigen, können wir als “solche” auch in keiner Gegend irgend eines Erinnerns vorkommen. Anders jedoch nun steht es mit dem Hoffen, das das Erlebte vorauf dreht, vor allem mit jenem, das in uns als “stillste”, “tiefste” Sehnsucht lebt, das uns als “Wachtraum” irgend einer Entzauberung, irgend einer namenlosen, einzig gemäßen Erfüllung begleitet.
Als Kinder schon sind wir beständig unruhig, zu warten, uns unser selbst darin endlich zu versichern. Es bleibt im Menschen, dieses sehr Brennende und Rätselhafte, das uns am Sonntagabend bei jedem Klingelzeichen draußen auffahren ließ, ob nun das Rechte endlich ausgerichtet werde. So öffnet sich überall dort, wo neues Leben beginnt, jenes offene Fragen, Schäumen, verhüllte Enthüllen als der Erwartungszustand des Heraufkommens überhaupt. Gerade indem uns hier die Worte bloß anklingen, fern und doch ganz nahe, von Vorstellungen kaum noch umspielt und trotzdem zugleich, als seien wir mit in alle Ferne, in alle Nähe genommen, wirkt ein Gedenken, das mit dem kreaturhaften Trieb, aus dem es scheinbar stammen soll, und seiner abgelaufenen Welt fast nicht das Geringste mehr gemein hat. Was bedeutet hier noch die Kunst enthüllter Anfänge? Liegt hier nicht in Wahrheit ein originärer Punkt, der in menschlicher Liebe, genialer Schöpfung an…