Rainer Unruh
Gego
»Line as Object«
Hamburger Kunsthalle, 29.11.2013 – 2.3.2014
Ein seltsames Gebilde hängt von der Decke. Das Licht, das von oben auf das Geflecht aus schwarz bemalten Aluminiumstreifen fällt, wirft einen Schatten auf den Boden, der die Härte des Metalls und die Klarheit der Konstruktion in eine zerbrechlich-zarte Komposition überführt, blass und verschwommen wie der Himmel auf den Tuschezeichnungen chinesischer Maler des 14. Jahrhunderts. In „Vibración en negro“ (1957), dem zentralen Werk im ersten Raum der Ausstellung „Gego: Line as Object“, ist bereits vieles von dem enthalten, was die 1912 in Hamburg geborene und 1939 auf der Flucht vor den Nazis nach Venezuela emigrierte Künstlerin Gertrud Goldschmidt, die sich selbst Gego nannte, in späteren Jahren verfeinerte, veränderte und verbesserte.
Lässt man den Blick zwischen dem filigranen Objekt und den elf Tuschezeichnungen von 1961 an der Wand neben dem Eingang wandern, fällt auf, wie sehr die Linie das alles beherrschende Element im visuellen Denken Gegos ist. Ganz gleich, ob schwarzer Strich auf dem Papier oder schwarzer Streifen aus Metall, der sich in die dritte Dimension windet, stets spürt die Künstlerin dem nach, was sie die „Autobiographie einer Linie“ nennt, das von allen äußeren Funktionen freie, sich gleichsam wie von selbst hervorbringende Fließen der Tusche oder die wie von einem inneren Antrieb gesteuerte Verknüpfung dünner Metallstäbe im Raum. Man ahnt, welche Entdeckung und Erleichterung für Gego diese Befreiung der Linie gewesen ist, hatte sie doch von 1932 bis 1938 an der Technischen Hochschule Stuttgart Architektur studiert und dabei Zeichnungen in den Dienst vorgegebener…