Chemnitz
Gegenwarten | Presences
Öffentlicher Raum in Chemnitz 15.08.– 25.10.2020
von Sabine Maria Schmidt
Vielleicht ist es eine Wackelfigur, die in diesem Projekt symbolisch die stoisch-fragile Identität der Stadt Chemnitz zum Ausdruck bringen kann. Die vergrößerte Spielzeugfigur der aus Dresden stammenden Konzeptkünstlerin Else Gabriel ironisiert das Wahrzeichen der Stadt, den Karl-Marx-Kopf, der mittels eines Standhebels zum Wanken gebracht werden kann; was allerdings in der Ausführung nur störrisch funktioniert. Die Figur richtet sich dann langsam wieder auf.
Die Geschichte der Stadt und ihrer Kultur ist voller Brüche, die sich nicht einfach wegglätten lassen. Zweimal haben die Chemnitzer ihren Status und ihre Identität als wichtige Kulturstadt verloren, mit und nach dem Krieg, später mit ihrer Sonderstellung als Karl-Marx-Stadt. Das thematisiert die umfangreiche Jubiläumsausstellung in den städtischen Kunstsammlungen Chemnitz mit dem Titel Im Morgenlicht der Republik. Parallel sind die Kunstsammlungen unter Frédéric Bußmann auch Träger des Ausstellungsprojekts Gegenwarten im öffentlichen Raum, mit dem sich die Stadt zugleich als Bewerber für die Nominierung zur Kulturhauptstadt 2025 profilieren möchte. Eingeladen wurden dazu zwei Gastkuratoren von der Akademie der Bildenden Künste in München, Sarah Sigmund und Florian Matzner, der schon seit über 30 Jahren im öffentlichen Raum agiert, so bei den Skulptur Projekten 1997. Beide reagieren auf die Stadt mit einem offenen Konzept, das sich räumlich zunächst auf die urbanen, sozialen und ästhetischen (Konflikt-)Zonen des Zentrums konzentriert.
Chemnitz war zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Industriestandorte in Deutschland und eine vorbildliche Stadt moderner Architektur. Mit dem Ende des Nazi-Regimes wurde die Altstadt noch am 5. März 1945 vollständig…