Annelie Pohlen
Gegen intellektuelle Bequemlichkeit
Zum Werk von Vincenzo Agnetti
Wer ihn dennoch kennt, den in Deutschland nahezu unbekannten ‘Bild’-Künstler, Theoretiker, Dichter . . . Vincenzo Agnetti, war aktiv herausgefordert; wer nicht, stand hilflos vor einem Rätsel – wenn es gut ging – oder hatte sein plattes Aha-Erlebnis “Aha, noch ein Naturschützer!” “Riserva di Caccia -Jagdrevier”, nannte sich eine Ausstellung Agnettis in der Kölner Galerie Wintersberger (Sept./Okt.). Drei Großphotos auf Holzplatten aufgezogen (125 x 200 cmm, bzw. 200 x 125 cmm) standen im Zentrum der Ausstellung: In der Landschaft – auf dem Feld – ein zerschossenes Schild ‘Riserva di caccia’ gleichsam als Fluchtpunkt aller Ackerfurchen; ein anderes Mal ebendieses Schild aufgehängt an einem dickstämmigen Baum und dann der Blick in den leicht verwilderten Tannenwald. Am unteren Bildrand der geradezu rätselhafte Satz “11 desiderio colpisce prima del proiettile / e si abbatte como fulmine sul cuore limitato delle cose – Der Wunsch trifft vor dem Geschoß ein und schlägt nieder wie ein Blitz in das begrenzte Herz der Dinge”. Just diese greifbare Ungreifbarkeit und unbegreifliche Greifbarkeit ist einer der trockenen Logik kaum mehr zugänglichen Mosaiksteine im facettenreichen verbalen und bildnerischen Werk Vincenzo Agnettis. Agnettis Biografie selbst mag wie der Humus für eine derart destruktiv-konstruktive Utopie künstlerischen Erkenntnisstrebens scheinen. Nach kurzen Versuchen auf dem weiten Feld der informellen Malerei wandte sich der gebürtige Mailänder (1926 geb.) und Lizentiat der Kunstschule von Brera vom bildnerischen Schaffen ab, um sich ganz der theoretischen Auseinandersetzung mit allen Versuchen geistig-künstlerischer Revolte gegen verkrustete Erkenntnis- und Gestaltungsstrukturen zu widmen….