GEGEN DEN STRICH
HEINZ-NORBERT JOCKS IM GESPRÄCH MIT ANNELIE POHLEN
Annelie Pohlen, geb. 1944 in Bernkastel-Cues, war zunächst freie Kunstkritikerin. Nach ihrer Tätigkeit als freie Ausstellungskuratorin von 1980 bis 1986 im Bonner Kunstverein zur Direktorin ernannt, verhalf sie dem Haus zu einem über die Stadtgrenzen hinausstrahlenden Ansehen. Sie verstand den Kunstverein als Produktionsstätte und als Ort, an dem existentielle wie wirklichkeitsnahe Fragen gestellt werden. Nach 17-jähriger geglückter Arbeit zieht sie sich zurück, um mehr zu schreiben. Mit ihr sprach Heinz-Norbert Jocks.
Heinz-Norbert Jocks: Was ist die Aufgabe eines Kunstvereins?
Annelie Pohlen: Dazu gab es vor kurzem eine große Podiumsdiskussion im Bonner Kunstverein. Mit allen negativen Seiten, die es hat, ist der Kunstverein, wenn man es ernst nimmt, das flexibelste Instrument oder die flexibelste Pattform für die offenen Systemen aktueller Kunst mit den in diesen Systemen angelegten Grenzüberschreitung in Bereiche wie Musik, Theater oder Architektur. Wenn wir auch schon sehr bedrängt wurden, hier Events oder publikumsfreundliche Ausstellungen zu machen, können wir uns jedoch, da privat, vor jeder Anforderung von außen schützen. Natürlich werden auch wir mit der Subventionskeule bedroht. Aber wenn man konsequent ist, wird man auf Dauer respektiert. In der Nachfolge von drei Frauen (Dorothea von Stetten, Margarethe Jochimsen, Annelie Pohlen), die radikal handelten, hat sich der Kunstverein vielleicht nicht unbedingt die Liebe der Stadt, wohl aber Respekt verschafft. Heute kommt keiner mehr und verlangt von uns etwas Populäres. Wenn der Kurator, wie ich hier in Bonn, auch freie Hand seitens des Vorstands hat, um sein spezifisches Programm umzusetzen, so kann er für viele…