Gefährliche Nachbarschaften
»Die Epoche der Moderne – Kunst im 20. Jahrhundert«
Von der Problematik Wiederholbarer Ausrufezeichen
Von Hermann Pfütze
I.
Während am 6. Mai im Kinosaal des Martin-Gropius-Baus die Eröffnungs-Pressekonferenz stattfand, wurden in den Ausstellungssälen noch die letzten Bilder gehängt und Arbeitsspuren beseitigt; – Gelegenheit zu einem ungestörten ersten Rundgang. Da, in einem der oberen Räume mit wenig Publikum, stockt der Schritt: Zwischen Cy Twomblys zwei mal vier Meter großem, taubengrau grundiertem Wachs- und Buntstift-Panorama “Salome” und Anselm Kiefers knapp halb so großem, düsterem “Unternehmen Seelöwe” macht ein Mann in Latzhose und gelbem T-Shirt sich mit Eimer und Quastenpinsel zu schaffen, als ob er an Twomblys Bild weitermalen wolle. Indes wachst er nur das Parkett, ist der Szene sich jedoch schlagfertig bewußt. “Wenn ick da rangehn würde, würde det Bild nur noch verfeinert”, sagt er mit Blick auf “Salome”. Außerdem ist er Kriegsschiffexperte und kann die große Fregatte auf Kiefers Gemälde reichsmarinemäßig identifizieren.
Für diesen Mann ist die Ausstellung gemacht. Er fragt nicht, warum Kiefer neben Twombly in der Abteilung “Traum – Mythos” hängt. Das sieht man doch: hier der Traum vom großen Schiffchenversenken, dort der Mythos von Salome. Oder umgekehrt: bei Twombly der Traum von der schönen Salome und bei Kiefer der Seeschlacht-Mythos. Mit solchen Nachbarschaften geht das Konzept der Ausstellung idealerweise auf. Einem Publikum, das, so Christos Joachimides vor der Presse, anders als “wir die Kundigen, immer noch Schwierigkeiten mit der modernen Kunst hat”, sollen faßliche Ausstellungen des Faßlichen geboten werden. Die Schwierigkeit, Kunst zu machen, soll nicht auch noch, als Kunst Schwierigkeiten…