Christian Huther
Gaston Chaissac
»Retrospektive«
Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main, 25.1. – 6.4.1997
Als “moderne ländliche Malerei” bezeichnete er seine geradezu erfrischende, heitere Kunst, sich selbst sah er als “Picasso in Holzschuhen”. Gaston Chaissac (1910-1964), der scheue Mann mit der Schiebermütze, blieb zeitlebens ein Außenseiter. Der gelernte Schuster und künstlerische Autodidakt verkehrte und korrespondierte zwar mit vielen Pariser Intellektuellen, lebte aber abseits der Metropolen in einem westfranzösischen Dorf. Biographisch ist er also durchaus zu fassen, aber kunsthistorisch kaum einzuordnen.
Das bewies eine rund 150 Gemälde, Objekte und Papierarbeiten umfassende Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle Schirn. Diese erste umfassende Retrospektive in Deutschland, zuvor bereits im österreichischen Linz, dann in Tübingen und Wuppertal gastierend, war vorwiegend aus Schweizer und französischen Privatsammlungen bestückt; für Chaissacs bizarres Werk können sich offensichtlich nur wenige Museen erwärmen. Dabei hat ein Klassiker wie Jean Dubuffet mehr von dem Schuster gelernt und übernommen, als bisher geglaubt wurde; umgekehrt müßte Chaissacs Nähe zu Picasso einmal grundlegend untersucht werden – auch wenn er sich über den Spanier zuweilen lustig machte oder gegen andere berühmte Kollegen Polemiken ritt.
Chaissac kam um 1937, angeregt durch den jüdischen Emigranten Otto Freundlich, zur Malerei. Sein Sujet, die Figur, und seinen Stil hatte er bald gefunden und blieb beidem, bis auf gelegentliche Ausflüge zu beinahe abstrakten Farbmosaiken, treu. Werkphasen im strengen Sinne gab es bei ihm nicht. In kräftigen, leuchtenden Farbflecken malte er Kobolde, Märchenfiguren, Fabelwesen oder Traumgespinste, die er mit schwarzen Konturen umrahmte und mit großen Maskengesichtern ausstattete. Unversehens fand sich der Besucher dieser Retrospektive denn auch in einer Zauberwelt…