Gärten der Erinnerung
Im Sacro Bosco von Bomarzo
von Jan Pieper
Unterhalb der Stammburg seines Geschlechtes ließ Vicino Orsini (1523-1583), Herzog von Bomarzo, einen rätselhaften Park anlegen, dessen architektonische und plastische Ausstattung sich nicht an den üblichen antiken Programmen orientiert, sondern sich weitgehend eine eigene, private und somit undurchschaubare Mythologie schafft. So mögen die verschiedenen Figuren und Architekturfragmente emblematisch für einzelne Geschehnisse im unruhigen Leben des Kriegsmannes Orsini stehen, auch für traumatische Erfahrungen oder schlaglichtartige Einblicke in die Tiefen der eigenen Psyche, aber genaueres wissen wir nicht. Auch über den Ursprung und den Bau Vorgang dieser “Gärten der Erinnerung” ist wenig bekannt; fest steht nur, daß sie 1563 weitgehend fertiggestellt waren.1
Der Sacro Bosco liegt unterhalb der Stadtburg von Bomarzo auf einem sanften, bewaldeten Hügel am oberen Ende eines Tales, das sich zum Tiber hinabsenkt. Diese Abseitslage ist charakteristisch für den Typ des “giardino secreto”, den die Zeit so sehr liebte, aber die architektonische Durchbildung ist grundlegend davon verschieden. Während der “giardino secreto” häufig als “Versunkener Garten” mauerumfaßt oder ins Parterre hineingesenkt ist, in jedem Falle aber als Architektur, als regelmäßiges, künstliches Gebilde behandelt ist, haben wir es hier mit einem offenen Hain zu tun, in dem ohne erkennbaren Plan einzelne Skulpturen, bizzarre Monsterplastiken und übergroße Architekturfragmente verteilt liegen. Das gesamte Arrangement scheint ohne historische Präzidenz.
Um so bemerkenswerter ist es, daß die Ausstattung in wichtigen Teilen den fiktiven Architekturen und Kolossalplastiken eines in etwa zeitgenössischen Romanes entspricht: der 1499 in Venedig erschienenen Hypnerotomachia Poliphili des Francesco Colonna.2 Dieser Roman, dessen Bedeutung ebenfalls nicht…