Tilman Baumgärtel
Gammeln kann man woanders.
Die Vorstadt-Idylle der Sims und Ihre Kehrseite
Die Sims’ sind das erfolgreichste Computer-Spiel aller Zeiten. Dabei handelt das Simulationsspiel, das inzwischen in einer zweiten Version vorliegt, vordergründig von nichts anderem als dem Alltagsleben.1 Wie in einer virtuellen Puppenstube kann man sich hier sein kleines, ganz privates, pastorales Privatleben einrichten. Ziel des Spiels ist es, seine Spielfiguren eine möglichst normale, gleichförmige Vorstadt-Existenz führen zu lassen. Zur Arbeit gehen, Geld verdienen, das Reihenhaus nach eigenem Geschmack mit vorgefertigten Elementen einrichten, die Nachbarn zu einer Party einladen, in Urlaub fahren – das sind die bescheidenen Ziele der Vorstadt-Idylle, die der ganze Inhalt von ‘Die Sims’ sind.
Für den Spieler mögen die Sims entweder wie eine häusliche Idylle oder ein Schreckensbild wirken; der wahr gewordene amerikanische Traum oder ein beklemmender, spießiger vorstädtischer Alptraum. Auch wenn die Sims ihren Spielern auf den ersten Blick eine fast unbegrenzte Auswahl von Spieloptionen bieten, so sind die idealen Haushalte, die in dem Spiel besonders erfolgreich sind, einer ganzen Reihe von normativen Einschränkungen unterworfen, die die Werte der amerikanischen Mittelklasse spiegeln. Wenn die Sims ein Idyll sind, dann sind sie ein Idyll mit einer Kehrseite: Wer sich bestimmten Vorstellungen von Arbeit, Konsum, Sexualität oder Persönlichkeitsentwicklung verweigert, der wird durch Misserfolg im Spiel bestraft. Hinter den Kulissen von frisch gemähtem Rasen und Blumenbeeten im Vorgarten und Swimmingpools hinter dem Haus und in den Innenräumen mit ihrer IKEA-haften Harmonie herrscht ein rigides kapitalistisches Regime.
Wie in einer digitalen Version der populären Reality-Shows à la ‘Big Brother’, haben die…