Funktionen der Kunst
Von der Autonomie der Kunst hält Reinold Schmücker wenig. Unruhe kam unter den Zuhörern in der brechend vollen Bibliothek des Hamburger Warburg-Hauses auf, als er im Sommer dieses Jahres in einem Vortrag die kunstphilosophische Autonomie-These ins “Kuriositätenkabinett der Ästhetikgeschichte” verbannte. Stellte er damit nicht den Kern der bis heute einflussreichsten ästhetischen Theorie, nämlich derjenigen Adornos, infrage? Inzwischen liegt die gesamte Vorlesungsreihe zum Thema “Wozu Kunst?” in gedruckter Form vor, so dass man noch einmal in Ruhe nachlesen kann, welche Argumente für die Abkehr von einer besonders in Deutschland einflussreichen Tradition ins Feld geführt wurden.
Schmücker, zurzeit Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Hamburg, weist überzeugend nach, dass sowohl Kant als auch Adorno der Kunst letztlich doch (Meta-) Zwecke zuschreiben. Damit ist der Weg frei für eine differenzierte Analyse ihrer Funktionen. Oliver R. Scholz plädiert im Anschluss an Ernst Cassirer und Nelson Goodman für eine kognivitistische Ästhetik. Seine These lautet, dass wir Kunstwerke vor allem deshalb schätzen, weil sie uns Erkenntnisse vermitteln und unser Verständnis der Wirklichkeit bereichern. Scholz verknüpft in seinem präzise argumentierenden Beitrag Einsichten der analytischen Philosophie mit Bezügen auf Whistler, Klee und Mondrian. Er kommt zu dem Schluss, dass es ein Fehler wäre, das kognitive Potential der Künste bei unseren Bemühungen zu unterschätzen, die Welt zu begreifen. Bernd Kleimann betont dagegen die Fähigkeit der Kunstwerke, uns emotional anzusprechen: “Wäre die Kunsterfahrung bar aller Lust, frei von aller sinnlich-sinnhaften Attraktion, so hätten wir keine Kunst.” Diese Lust sei jedoch kein gedankenloses Genießen. Sie stelle sich dann ein, so…