Fragmentierte Stadtlandschaften
Berlin 1964: Großstadterfahrung versus Architekturstudium
von Bernhard Strecker
Hauptbahnhof Zoo? Rein in die Bahnhofskneipe. Innenwelten, schmierig. Der schnelle Kurze, l Pils 0,25 DM – bin ich froh wieder da zu sein? Drafi Deutscher – Musikbox, der junge Udo: “17 Jahr’, blondes Haar”. Die breitlippige Füchsin am fruchtbaren Tresen. Flippermusik … die Lichter der Großstadt, magische Zeichen, magische Klänge, doch vertraut und handlich . . . bitte Einen noch und dann rüber zu Aschingers Erbsensuppe mit unbergrenzt Brötchen, fünfzig Pfennig im blau-weiß-karierten fahlen Neon, im Strom der Lemuren und dann ein Erkennen:
Hey man? Peter S. R. mit seinem unbeschreiblichen Brando-Lächeln, die gleiche gebogene Stirn, die blauen Augen und die vieldeutig heruntergezogenen Mundwinkel. Nur hinter der Fassade ein intellektuelles, unsicheres Flackern – eine positive Schwäche. Zu viel Musil gelesen, dieser negative Held? Litfaßkerle wir … zusammengebrautes, collagiertes Bewußtsein – zögernde, fragende, vielschichtige Tramps, mit dem Ulysses im Kopf und im Herzen die Wüste und die Prärie. Wer wagt schon, an seine heiligen Hoffnungen zu glauben, sie hier zu benennen, sie dann gemeinsam zu gewinnen? Sind wir zurückgekehrt, sind wir hier eingesperrt – gekommen, um zu bleiben? Im Nervensystem der Großstadt bläht sich das überreizte Ego des Studenten und zerplatzt. Am Steinplatz gibt es einen neuen Godard oder lieber Reiten. Reiten . . . einen Anthony Mannim Schlüterkino, oder gleich in die Wilmersdorfer in die “Försterin”, wo die schönen Intellektuellen statthalten?
Die Litfaßsäule: Sechs-Tage-Rennen im Sportpalast, Sonny Rollins bläst Saxophon in einem Kreuzberger Kino, “Besuchen Sie das Resi an der Hasenheide”, Tanz bei Walterchen, Trabrennbahn,…