Fragen zur Geschichte der Videokunst
Mit einer Fussnote aus George Brechts »Notebook« von 1959
Von Dieter Daniels
Was heisst es, etwas zu erfinden? Im bürgerlichen Recht gibt es eine genaue Vorstellung von “Erfindung”, und durch ein darauf ausgestelltes Patent lässt sich der Anspruch der Erstmaligkeit sogar amtlich beglaubigen. Allerdings beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, dass die Idee einer einmaligen, erstmaligen und einzigartigen Erfindung dem tatsächlichen kreativen Prozess nicht entspricht – weder im Bereich der Technik noch im Bereich der Kunst. Im Bereich der Technik gibt es zahlreiche Erfindungen, die mehrfach gemacht werden mussten, ehe sie auf fruchtbaren Boden fielen. Erfindungen müssen nicht nur gemacht werden, sondern oft auch zur richtigen Zeit und manchmal sogar von der richtigen Person.
Was schon im Feld der Technik problematisch ist, sollte im Feld der Kunst erst recht als unmöglich erscheinen. “Erfindungen auf dem Gebiet des Geistes (wissenschaftliche Theorien, Literatur, Kunst) sind nicht schutzfähig”, stellt das Patentrecht fest.
Aber das lineare historische Denken ist in der Kunstgeschichte immer noch gängig und auch von der Postmoderne nicht abgelöst worden. Sogar rein technische Innovationen erhalten den Rang von Erfindungen: Picasso gilt als der Erfinder der Collage, Max Ernst als der Erfinder der Frottage – beides Verfahren, die im Populärbereich schon lange zuvor existierten. Und zwischen Tzara und Huelsenbeck kam es zu einem reichlich absurden jahrzehntelangen Streit um den Vorrang bei der Erfindung des Wortes “Dada”.
All dies ist schon Geschichte, aber auch für die erst kurze Zeit zurückliegenden Anfänge der Videokunst gibt es Prioritätsansprüche. Bisher sind es vor allem Nam June Paik…