RAINER UNRUH
Formalismus.
Moderne Kunst, heute
Kunstverein in Hamburg, 9.10.2004 – 9.1.2005
Als sie die Ankündigung der Ausstellung lasen, dachten nicht wenige, es sei auf dem Weg zur Druckerei eine Silbe verloren gegangen. Post-Formalismus, das schien ein angemessener Begriff zu sein, um die Kunst der Gegenwart zwischen globalisierungskritisch inspirierten Dokumentationsvideos und stilistisch frei flottierender Malerei zu charakterisieren. Aber Formalismus? War das nicht eher eine Angelegenheit für in die Jahre gekommene Kunsthistoriker, die uns mit verklärtem Blick erzählen, wie der Blitz der Erkenntnis in sie gefahren sei, als sie in den sechziger Jahren in New York zum ersten Mal vor einer Alu-Box von Donald Judd standen?
Nein, sagt Yilmaz Dziewior, Direktor des Kunstvereins in Hamburg. Nein, sagen auch die Werke der 24 von ihm ausgewählten Künstler. Formalismus heute, das lernt man beim Gang durch die klug konzipierte Ausstellung, ist keine Anbetung der Form um der Form willen. Sie meint eher einen Rückgriff auf die tradierten Muster der Moderne, die, in einen neuen Kontext gerückt, durchaus Assoziationen zur Welt außerhalb der Kunstszene gestatten. Von daher war es ein geschickter Schachzug des Kurators, die Gemälde von Tomma Abts dicht am Eingang zu platzieren. Man sieht abstrakte Formen, verschlungene Bänder und Kurven sowie mit großer Sorgfalt aufgetragene Farbschichten, das Ganze in den matten und gedämpften Tönen, die dem Kuschelbedürfnis der Generation Lounge entsprechen. Die Künstlerin treibt die Formen aus dem Malprozess hervor. Dynamisch sind ihre Kompositionen und instabil, Ausdruck der Tatsache, wie Jan Verwoert in seinem Katalogessay betont, dass der Vorgang des Malens stets kontingent ist und…