Essen
Folkwang und die Stadt
Nördliches Stadtzentrum Essen 21.05.–07.08.2022
von Sabine Maria Schmidt
Folkwang ist längst eine kulturelle Qualitätsmarke. Dennoch reibt man sich mit Vergnügen die Augen, wenn man in Zeiten komplett durchkapitalisierter Städte- und Landschaftsgestaltung plötzlich andere Lettern auf dem Handelshof am Essener Hauptbahnhof liest. Statt Essen – Die Einkaufsstadt heißt es nun Essen – Die Folkwangstadt. Auf den ersten Moment klingt alles wie die Erfüllung einer langgehegten Vision, die endlich Besitz ergriffen hat von der ganzen Stadt. Die Idee ist zwar schon mehr als 100 Jahre alt, aber anders als der Wirtschaftswunder-Slogan immer noch zeitgemäß. Die Idee: dass ohne Kunst und Kultur nichts läuft. Und dass sie für alle zugänglich sein muss; vor allem als Ort der Bildung!
Damals ging es um die Umgestaltung einer riesigen einzig von Industrie geprägten Region und es war der Fabrikant und Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus (1874–1921), der fest daran glaubte, dass ohne die Mitwirkung von Kunst die wichtigsten Fragen sozialen Lebens nicht lösbar seien. Als er 1902 sein beeindruckendes Museum in Hagen eröffnete, nannte er es Folkwang. In der Edda bezeichnet der Fólkvangr den Göttersitz der Freya, der Göttin der Liebe und Schönheit. 1922, vor hundert Jahren, kam seine Sammlung durch den klugen Ankauf der Stadt nach Essen. Dort wurde 1927 auch die interdisziplinäre Folkwang-Universität gegründet.
Ausstellungsinstitute öffnen sich längst den öffentlichen Räumen mit experimentellen und partizipatorischen Projekten. Outreach-Kurator*innen kümmern sich um unerreichtes Publikum, Open spaces erweitern das gängige Ausstellungsprogramm. Doch wirkmächtige Interventionen im öffentlichen Raum sind gerade für oft schwerfälliger gewordene städtische Museen, die wachsenden…