Relektüren
Folge 86
von Rainer METZGER
Bekanntlich ist Donald Trump gegen Kriege. Sie stehen seinem mit der Vatermilch großgezogenen Hang zu Deals im Wege. Schließlich ist „die Grundlage der Moral letzten Endes nicht die Selbstaufopferung …, sondern das aufgeklärte eigene Interesse, ein klareres und umfassenderes Verständnis für alle Bindungen, die uns miteinander vernetzen“. Das hier formulierte, wohlmeinend utilitaristisch zu nennende Credo einer umfassenden Interpendenz stellt nach Meinung seines Verfassers deutlich vor Augen, dass Kriege nichts sind als Eine große Illusion. Dies ist der Titel eines Buches von Norman Angell, dem auch das obige Zitat zu verdanken ist. Kriege rechnen sich einfach nicht, erklärte der britische Publizist, er wurde berühmt mit seiner Argumentation, The Great Illusion erlebte innerhalb eines Jahres die Übersetzung in 15 Sprachen. Wir schreiben das Jahr 1910 und Angells steile These sollte sich leider nicht bewahrheiten. John Keegan, der vielleicht bedeutendste Historiker des Krieges, stellt Angell an den Anfang seines Buches über den Ersten Weltkrieg (daraus, Ausgabe Rowohlt Taschenbuch 2001, S. 24, auch das Zitat).
Unsere Gegenwart lädt gerade ein zu historischen und dabei kaum schmeichelhaften Vergleichen. Nicht nur, dass Trump nach wenigen Wochen eine Außenpolitik auf den Weg gebracht hat, die sich vor allem als allerlei Gezündel darstellt, so dass das Dealmaking als grandiose, an Angell erinnernde Selbsttäuschung im Raum steht. Nicht nur, dass der womöglich bald als Kanzler firmierende Kandidat der größten konservativen Partei Deutschlands, Typus Herrenreiter, den Nazis den Steigbügel hält – wer hat eigentlich schon die frappierende Parallele zwischen Friedrich Merz 2025 und Franz von Papen 1932…