Relektüren
Folge 77
Rainer Metzger
„In den letzten Jahren“, so lautet die finale Formulierung, wie sie 1982 im Original bzw. ein Jahr darauf in deutscher Übersetzung zu Papier gebracht wurde, „kam es zu einem synkretistischen Expressionismus, der Zeitfragen aufgreift und zur Gegenständlichkeit zurückkehrt“ (S. 652). Das war es dann mit der Weltgeschichte der Kunst. Das Schlusswort haben die seinerzeit als jung apostrophierten Wilden, doch offenbar lohnt es nicht, sie auf einzelne Positionen zu bringen, und die Etiketten synkretistisch, expressionistisch oder gegenständlich kamen ihrerseits schon reichlich vor in den davor aufgehäuften Jahrtausenden. Es war die Zeit, da die Postmoderne Linearität fragwürdig gemacht hatte. In der Tat zerfranst sich die Geschichte, die hier von der Kunst erzählt wird, im Vagen abgestandener Begriffe. So ist der allerletzte Name, der im Buch fällt, der eher unbekannte des italienischen Plastikers Giuseppe Spagnulo, und auch von ihm verlautet wenig mehr, als dass er „als Assistent“ bei Lucio Fontana und Arnaldo Pomodoro gearbeitet hat (bei denen es auch auf nicht mehr als ein Name Dropping hinausläuft). Sollte es so etwas wie Fortschritt geben: In dieser Darstellung bekommt man ihn jedenfalls nicht zu fassen.
Die obligatorische Einführung ins Buch kreist um die Autorität schlechthin für jede Gesamtschau zur Kunstgeschichte. So global hat es Ernst H. Gombrich zwar nicht verstanden, doch sein Weltbestseller der Story of Art, der schon auf dem Umschlag zu verstehen gibt, dass er weniger eine Historie als eine Narration sein will, ist der weiße Elefant dieser World History of Art. Die Einführung wartet auch gleich mit zwei Abschnitten…