vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Relektüren · von Rainer Metzger · S. 330 - 331
Relektüren ,

Relektüren
Folge 67

Rainer Metzger

„Sie mühen sich, so zu tun, ‚als ob es keine Frauen gäbe‘ , und in solchem surrealistischen Bemühen, wieder in jene Zeit des Paradieses zurückzutauchen, als Gott Eva noch nicht erschaffen hatte, in ihrer infantilen Flucht in eine Art männlichen Uterus einer frauenlosen Welt, können sie keinen Blick mehr haben für die wirkliche Welt, für eine Welt nämlich voller Männer und Frauen, und das heißt für eine Welt der Menschen“ (Erstausgabe, S. 338). Dies ist der letzte Abschnitt des 28. Kapitels von Uta Ranke-Heinemanns Buch über jene Eunuchen für das Himmel reich, mit denen unschwer das „Sie“, mit dem das Zitat einsteigt, zu identifizieren ist. Sie, die Kleriker, die Funktionäre der speziell und ausschließlich gemeinten katholischen Kirche stehen im Fokus einer Polemik, auf die allein schon der Titel zuspitzt – die Kastraten (im Sachregister der aktuellen Ausgabe heißt es „Eunuchen s. Kastraten“), die ihre Sexualität abgeschnitten haben um eines Jenseits willen, das sie wort- und gestenreich in nebulöser Entfernung halten. Das Kapitel steht unter der Überschrift Homosexualität, seine Schlusspassage indes handelt einmal mehr von der Misogynie, die die Autorin um ureigenen Leib verspürt hatte.

Ein Jahr bevor ihre Self-Fulfilling Prophecy eines Skandalbuches erschien, 1987, war Uta Ranke-Heinemann die Lehrbefugnis für katholische Theologie entzogen worden. 1969 war sie die weltweit erste Frau gewesen, die sich in diesem Fach habilitiert hatte – bei Karl Rahner, dem Vorzeige-Liberalen, der in seinem Kompetenzbereich für einen ähnlichen Aufbruch stand wie Gustav Heinemann, der Vater, der eben in diesem Jahr der erste Bundespräsident unter…

Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei