Fokus Südamerika:
Kunst über ihre Grenzen hinaus
von Diana B. Wechsler
Es gehört zur Tradition der Avantgarde-Bewegungen, dass sie dem Kunstsystem entgegentreten, indem sie seine Regeln untergraben und Grenzen überschreiten. Die Verwendung neuer Materialien und die Erkundung anderer visueller Formate setzte im frühen 20. Jahrhundert ein und hatte die Absicht, innerhalb des Kunstsystems etablierte Praktiken und Darstellungsformen auf den Kopf zu stellen. Ungeachtet des Beharrungsvermögens und der Fähigkeit der „Institution Kunst”, sich aufkommende Anregungen zu eigen zu machen, dauert dieser Prozess bis in die Gegenwart hinein fort. Im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert gehen zahlreiche Künstler über die Darstellungsprobleme der Avantgarde hinaus, um das in Frage zu stellen, was Peter Bürger als die „Institution Kunst“ definiert hat. Aus ihrem Bestreben heraus, die kritische Dimension der Kunst wiedergewinnen zu wollen, verwerfen sie deren materielle, konzeptuelle, institutionelle und soziale Normen.
Die für den Fokus Südamerika als „Fälle“ ausgewählten Werke zeigen ganz unterschiedliche Alternativen, durch die Künstler die Regeln der Kunst zurückweisen, um neue Wege für Überlegungen über den Ort ausleuchten zu können, an dem Bilder Position beziehen. Dabei ermöglichen Bilder, die oftmals in kritischen Momenten des sozialen und politischen Lebens entstehen, dem Betrachter ein großes Repertoire verstörender Erfahrungen, die ihn der Trägheit seiner Sichtweisen entfremden und ihn dazu ermutigen, andere Arten des Sehens und alternative Ausblicke auf die gegenwärtige Welt zu entdecken. Aktionen des Widerstands, Kunst als Stellungnahme für das Überleben, die Betonung von Darstellungsproblemen und die Wiederherstellung der Bilder zur Rückgewinnung von Erinnerung gehören zu den Mitteln, die ein Licht auf die Verfahren…