Fluxus & La Biennale di Venezia
Die Lagunenstadt und die Kunstrichtung des permanenten Flusses scheinen schon apriori füreinander bestimmt zu sein. Es sollte jedoch lange dauern, und es bedurfte einer akuten Flaute an aktuellen Tendenzen oder anderweitigen attraktiven Themen, bis schliesslich 1990 die Biennale von Venedig Fluxus entdeckte. Die Retrospektive unter dem Titel “Ubi Fluxus ibi motus, 1962-1990” fand jedoch nicht im zentralen Bereich der “Gardini” statt, sondern auf der etwas ausserhalb liegenden Insel Giudecca, landschaftlich reizvoll, aber eben doch etwas in der Position des Lückenfüllers.
Das Organisations-Schema war typisch für die Biennale: Unter der Flagge der Biennale lag die Federführung in der Hand von Achille Bonito Oliva, der wiederum die gesamte Arbeit an den Fluxus-Enthusiasten Gino di Maggio delegierte. Aus dem Zusammenfluss von organisatorischem Chaos mit einer per Definition chaotischen Kunstrichtung entsprang dann der geniale Funke dieser Schau: Sie war in der Tat authentischer, als man zu träumen wagte – und ihr grösster Verdienst wird es vielleicht bleiben, der angeblich schon endgültigen Historifizierung und Musealisierung von Fluxus als Kunstrichtung ein letztes Mal das Bollwerk des wirklichen Lebens und des alltäglichen Durcheinanders entgegengestellt zu haben.
Zur Eröffnung war die Ausstellung erst halb fertig; mitten unter der Menge versuchten Künstler und ein paar Arbeiter, noch Werke aufzuhängen, überall teilweise ausgepackte Kisten, irgendwo performte irgend jemand irgendwas, halbleere Weingläser standen zwischen fragilen Skulpturen. Schon Tage vorher und noch eine Woche nach der Eröffnung konnte man einer grossen Schar von Künstlern bei der Arbeit am Aufbau zuschauen und dabei bewegende Momente erleben, wenn Emmett Williams ein…