Dieter Daniels
Fluxus – ein Nachruf zu Lebzeiten
»Schon lebt der Dichter nach eigenem Maß
beinahe Allerorten in einer tiefen Abgeschiedenheit
vom Leben, und hat doch nicht mit den Toten die
Kunst gemeinsam, daß sie kein Haus brauchen
und kein Essen und kein Trinken.
So günstig sind die Lebzeiten den Nachlässen.«
(Robert Musil, Nachlaß zu Lebzeiten)
Von den heroischen Jahren der Fluxus-Bewegung seit ca. 1962 habe ich aus einem einfachen Grund nichts mitbekommen: Ich ging damals gerade in die Grundschule. Die letzte grosse Fluxus-Veranstaltung, die es je gab, in Wiesbaden 1982, ist die erste, die ich je gesehen habe.
Meist stehen vor allem diese heroischen Zeiten der Anfangsjahre im Blickpunkt, wenn von Fluxus die Rede ist. Dennoch wird, vor allem bei der derzeitigen Wiederentdeckung von Fluxus, meist zugleich die ungebrochene Aktualität von Fluxus postuliert. Offenbar ist mit dieser Aktualität aber nicht gemeint, dass die meisten Fluxuskünstler noch leben und – zum Teil ähnlich, zum Teil ganz anders wie damals – auch arbeiten. Sondern diese Aktualität meint das Fortwirken der Ereignisse aus diesen besagten heroischen Jahren, die allesamt lange vorbei und meist nur schlecht dokumentiert sind, für die heutige Kunst. Diese “Aktualität” hat also überraschenderweise nur wenig mit dem zu tun, was diese Menschen, die Fluxuskünstler waren oder sind, heute überhaupt machen.
Gewiss, bei einigen ist diese Frage einfach zu beantworten: George Maciunas, Addi Koepcke, Robert Filliou und Joseph Beuys sind tot – und es werden ihrer eher mehr als weniger werden. Doch wie lebendig die mittlerweile teils im Rentenalter stehenden Künstler noch…