HERMANN PFÜTZE
Flotsam & Jetsam
Ballast und Treibgut
Über Kunst und Müll und Kunst mit Müll
Eine Ausstellung der Bauhaus Universität Weimar im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, 1.2. – 23.3.2003
Müll enthält, im Unterschied zur Natur, das Moment der Freiheit, so ein Gedanke Vilém Flussers. Die Natur duldet nur in engen Bandbreiten Freiheit und Spielräume, sie muss verträglich gemacht, kultiviert und denaturiert werden, während Abfall und Müll, als Kulturprodukte, die Proben der Verträglichkeit mehrfach bestanden haben und die Möglichkeiten, sie weiter zu verarbeiten, zumindest theoretisch grenzenlos sind. Natur muss regeneriert werden durch nachhaltige Wasser-, Forst- und Landwirtschaft. Aus Abfall und Müll dagegen kann Neues und anderes gemacht werden. Das ist die Freiheit der Kultur gegen die Zwänge der Natur.
Müllwachstum ist zwar ein weltweites Problem, aber Abfälle sind ein wunderbarer Sekundärrohstoff. Ökologie und Abfallkunst intendieren mithin kein ‘zurück zur Natur’ derart, dass der Müll weniger werden müsse, um wieder mehr Natur zu haben. Vielmehr ist die Industriekultur Rohstoffquelle künftiger Verwertungs- und Recyclingkulturen, die um die Megacities der sog. Dritten Welt schon entstehen. Die Industriekulturen produzieren, so Flusser, den für künftige Verwertungskulturen lebenswichtigen Rohstoff Abfall. Was wir ausgewertet haben und wegwerfen, enthält, als Rohstoff betrachtet, neue Werte und Informationen. Allerdings sollte, so Fritz von Klingräff in seinem Katalogbeitrag, der wesentliche Unterschied zwischen Abfall und Müll beachtet werden. “Seit dem 19. Jahrhundert gehört der Abfall zur Selbstregulierungs-Dynamik von Produktion und Konsum. … Kulturell kann der Abfall seither als Spurenträger fungieren. … Im Müll hingegen ist selbst das Beseitigte noch zu beseitigen… Müll ist das Endprodukt eines Zerfallsprozesses….