K.G. GAIDA
Fiktive Zoologie und Randaspekte
1993 zeigte der Künstler K.G. Gaida seine Werkserie “Einheimische Tiere” im Bonner Museum König – einem Naturgeschichtlichen Museum mit einer Zoologischen Sammlung. Die Ausstellung knüpfte freilich nur vordergründig an die kunsthistorische Tiermalerei an:
Gaida schuf nämlich skurille und paradoxe Wesen wie die “Herbsttrompete” (in Wirklichkeit ein eßbarer Pilz) als Silhouette eines röhrenden Hirsches. Der Zyklus enthält ebenso “Stockenten” mit Hälsen von Spazierstöcken, Maischollen (üblicherweise eine kulinarische Spezialität) und das fiktive “Faselschwein”. In einem bereits 1990 erschienenen Katalog zu diversen Galerie-Ausstellungen zum selben Thema wurde ausführlich die “Tatzelwurmfrage” erörtert – ein höchst abstrus anmutender Text, der sich an ältere, freilich durchaus ernst gemeinte Abhandlungen in der volkskundlichen Literatur anlehnt.1
Die wissenschaftliche Lehrbuchsystematik erfuhr auf diese Weise eine ironisch Umdeutung, wobei der Widersinn sich vor allem in den Bild-Text-Relationen offenbart. In den alten Mythologien wurden Fabelwesen als real existierend angenommen – man wies ihnen ganz bestimmte Eigenschaften und Kräfte zu. Umgekehrt geschah das gleiche mit realen Tieren, die aufgrund ihrer Eigenschaften und Merkmale als Symbole in die Heraldik und Emblematik übernommen wurden (darauf rekurriert auch das “Adler-Museum” von Marcel Broodthaers, das zuletzt noch einmal bei der “documenta 10” 1997 zu sehen war).
Gaidas Vermischungen von kultur- und volksgeschichtlichen Überlieferungen mit Zoomorphischem stellen daher keine “echten”, biologisch nachweisbaren Mutationen dar – es sind teils Fiktionen, teils Zitate aus Randaspekten oder gar Abseitigkeiten der Forschung. Das Sonderbare wird zum Spielball innerhalb einer künstlerischen Strategie, die eine Normativität unterhöhlen will, wie sie bekanntlich jeder wissenschaftlichen Disziplin eigen ist. Normierungen leiten sich aus zahlenmäßiger…