Ingo Arend
Fiktion Okzident
»Künstlerische Positionen zwischen Deutschland und der Türkei«
Tophane-i Amire Kültür ve Sanat Merkezi, Istanbul, 31.10.2011 – 26.11.2011
Im Anzug auf einem Ottomanen. So saß der französische Schriftsteller Pierre Loti 1879 im Istanbuler Stadtteil Eyüp und genoss den Blick auf das Goldene Horn. Der Fin-de-Siecle-Literat ist ein klassisches Beispiel für das, was der Literaturwissenschaftler Edward Said als den orientalistischen Blick geißelte.
Am Entstehungsort der Fiktionen vom Orient ausgerechnet eine Ausstellung mit dem Titel „Fiktion Okzident“ in Szene zu setzen, wirkt so unkorrekt wie waghalsig. Doch Saids Theorem versuchsweise umzukehren, macht Sinn. Denn zu dem projektiven Blick, der sich den Orient erschaffte, gehörte auch sein Pendant.
Die islamischen Schriften durchzieht seit Jahrhunderten die Vorstellung von einem fiktiven Westen. Der ebenso verzerrte wie märchenhafte Züge trug. Und auch wenn der naive Blick, mit dem die „Gastarbeiter“ in der Mitte des 20. Jahrhunderts gen Westen zogen, wenig gemein hatte mit Exotik und Bedrohung – den Bestandteilen, aus der sich der Orientalismus „seinen“ Orient braute – beide Seiten imaginierten sich ihr Gegenüber. „Für uns war vor 50 Jahren Deutschland ein Traum“ erinnerte sich der Maler Yalcin Karayagis, Rektor der Istanbuler Mimar-Sinan-Universität der Künste zur Eröffnung der Ausstellung.
Zu diesem kollektiven Traum passt es, dass der Künstler Irfan Önürmen einen pathetischen Werktätigen mit Hammer in der Hand aus Schokolade gegossen hat. Seine Installation „Arbeiter“ aus dem Jahr 2011 bildet eine Statue nach, die die Republik Türkei zum 50. Jahrestag ihrer Gründung in einem Istanbuler Park aufstellte, gleich neben dem Ausstellungsgebäude Tophane, einem alten osmanischen Waffenlager. Was dem…