Ingo Arend
Felix Gonzales-Torres
»Der dritte Weg«
Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin
1.10.2006 – 9.1.2007
War Felix Gonzales-Torres Realist? Die Frage drängt sich auf. Nicht nur weil Frank Wagner, Kurator der Retrospektive, die die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst dem 1957 auf Kuba geborenen Künstler kubanisch-amerikanischen zum zehnten Todestag und unmittelbar vor seinem 50. Geburtstag im Januar 2007 im Hamburger Bahnhof ausgerichtet hat, Mitglied des Realismus-Studios der NGBK ist. Auch die Materialien des Künstlers scheinen in diese Richtung zu weisen. Bei Papier und Glühbirnen ist man versucht, in Richtung Nouveau Realisme zu denken. Wenn man die akkurat geordneten Bonbonschüttungen auf dem Boden sieht, fällt die formale Ähnlichkeit mit der Minimal-Art eines Sol Lewitt oder Carl Andre auf. Und schließlich stößt man noch auf Fotografien.
Das Werk des im Januar 1996 gestorbenen Künstlers einzuordnen, fällt nicht ganz leicht. Doch obwohl es so spröde, konzeptuell und divers daherkommt, entwickelt es ungeahnte Verführungskräfte. An dem großen Feld von Bonbons im Eingangsbereich, verpackt in goldenen Zellophan, kann kaum ein Besucher vorbeigehen, ohne davon zu naschen. Die Kunst lockt. Man darf sie anfassen. Ständig ändert sie ihre Gestalt. Und immer kommt irgendwo der Nachschub her. Überfluss, Veränderung und Partizipation – in einem einzigen Werk demonstriert Gonzales-Torres die Essentials seines Kunstverständnisses. Selten hat jemand ein so stimmiges Bild für das gefunden, was der sozialdemokratische Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann einmal in dem Motto “Kultur für alle” zusammengefasst hat. Sicher war es kein Zufall, dass die Präsentation den Parcours in unmittelbarer Nähe des Werkraums mit den Arbeiten von Joseph Beuys entlang geführt hat….