Paolo Bianchi
Felix Droese
»Vanishing Images«
New York Kunsthalle, 17.4. – 23.5.1993
Aufsehenderregende Ausstellungen einzurichten, ist in New York Trend. Wer jedoch nur auf die Gunst des pseudokulturellen Amüsierbetriebs schielt und die Qualität der Werke und Künstler zugunsten von Belanglosigkeit und Beliebigkeit opfert, kann zwar ein Scharmützel gewinnen, hat aber keine Überlebenschance: Er wird früher oder später die Schlacht verlieren und die Pforten wieder schließen müssen.
Die neu gegründete New-York-Kunsthalle im East Village hat mit ihrer Eröffnungsausstellung unfreiwillig geschafft, wovon andere nur träumen können: über Nacht zu einem der “hype places” in der Kunstszene der Metropole avanciert zu sein. Die vom Schweizer Martin Kunz (ehem. Leiter des Kunstmuseums in Luzern) geleitete Kunsthalle, die von einer Gruppe von Investoren aus der Schweiz und Deutschland gesponsert wird, verdankt ihr schnelles Renommee einem Schicksalsschlag besonderer Art:
Ein Feuer zerstörte letzten Herbst den Dachboden. Die im Hollywood-stil anberaumte Löschaktion mit Großaufgebot an Feuerwehr, Polizei und Ambulanzen hinterließ ein über Stunden mit Wasser vollgespritztes Gebäude, bei dem schließlich das Wasser aus den Fenstern quoll. Eine Katastrophe für den über zwei Jahre emsig arbeitenden Kunz? Ein Genickbruch fürs Projekt?
Im Gegenteil: Getragen von einer Dosis “positive thinking”, hat Kunz nach einigen Renovierungsarbeiten den Versuch nicht gescheut, gewissermaßen in den Relikten des Brandherdes eine Ausstellung einzurichten. Mit Erfolg: Das rohe, ruinenhafte und archäologische Ambiente der Kunsthalle faszinierte alle zugleich, den eingeladenen Droese, die Kritiker, Besucher und Szenengänger, so daß die europäische Idee der Kunsthalle, sprichwörtlich als Phoenix aus der Asche, mit einer unbeabsichtigt sinnlich erfahrbaren Stärke in die New Yorker Öffentlichkeit treten…