Vitus H. Weh
Fast nichts/almost invisible
Ehemaliges Umspannwerk, Singen, 28.6. – 15.9.1996
Es gibt Ausstellungen, da lernt man was. Bei “fast nichts/almost invisible” war der Unterrichtsgegenstand nicht so sehr die gute Auswahl an Kunstwerken, sondern die Tatsache, daß sie eigentlich überflüssig waren. Der Ort des Geschehens war ein stillgelegtes Umspannwerk aus den 10er Jahren, fast schon wieder außerhalb von Singen gelegen, am Fuße des Hohentwiel. Der Ausstellungstitel verriet schon vorbeugend, daß wenig zu sehen sein würde. Und daß die Werke der 21 Künstler auch schwer zu finden waren, war ebenfalls Kalkül: Wie bei feiner Kammermusik sollte “die minimale materielle Präsenz der Werke” aufgewogen werden vom “umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihren geistigen und inhaltlichen Dimensionen” (Pressetext). Man hätte natürlich auch mit der ehemaligen Gebäudefunktion argumentieren können: So wie früher das zentrale Element, also der transformierte und verteilte Strom, unsichtbar war, so sollten auch die heutigen Energiequellen, die Kunstwerke eben, sich der Immaterialität anzunähern suchen.
Also Laufzettel in die Hand und auf die Suche gemacht. Am Eingang strickte die Aufsichtsperson einen Pullover nach Anweisung von Tobias Rehberger, von Mathis Neidhart lagen Sicherheitsausweise aus, in vier Kojen waren kleine Schulbuchfotos von Cor Dera zu entdecken und im Treppenhaus erzählte eine Tonbandstimme einige Märchen von Sam Samore. Ohne Hilfe fand ich auch noch den “konsolidierten Museumssockel” von Beat Zoderer und in einem Kämmerchen einen beheizten Spiegel von Heimo Zobernig. Jedoch die Staubskulptur von Erwin Wurm, das kleine Männchen von Thomas Eller und die Winzig-Fotografien von Anatolij Shuravlev bemerkte ich nur auf Nachfrage – die Kochutensilien samt Speisereste…