ANDREAS DENK
Farwell vom »Zitronenhäusch«
Ein »Gesamtkunstwerk« für Gelnhausen
In Gelnhausen wird ein 300 Jahre altes Fachwerkhaus abgerissen. Das wäre sogar in der historischen Altstadt der 12000-Einwohner-Gemeinde südöstlich von Frankfurt angesichts der nahezu unrettbaren Substanz des Baus vielleicht nichts Besonderes. Doch ist der Abriss des wegen seiner gelben Fassadenbemalung “Zitronenhäusch” genannten Hauses in der Heimatstadt Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen verbunden mit einem Neubauprojekt der Frankfurter Architekten Seifert + Stöckmann. Gabriela Seifert und Götz Stöckmann betreiben nicht nur ein gemeinsames Büro, sondern arbeiten mit dem Künstler Ottmar Hörl unter dem Namen “Formalhaut” seit den achtziger Jahren im Zwischenfeld von Kunst und Architektur.
Der Eingriff, den der Abriss des alten Hauses in der Kuhgasse für den weitgehend im Zustand der frühen Neuzeit verbliebenen Struktur des Stadtkerns bedeutet, ist den Architekten bewusst gewesen. Deshalb haben sie – als “Formalhaut” mit Ottmar Hörl – bereits den Abriss im Mai letzten Jahres unter dem Titel “bye bye” als “Abschiedsfest für ein Haus” inszeniert: Der gesamte Baukörper des annähernd frei stehenden zweieinhalbgeschossigen Fachwerkhauses mit Kuppelwalmdach wurde mit roten Nelken (engl. carnation) bedeckt. Der Lyriker Thomas Kling, der auch beim Neubau beteiligt sein wird, las dazu einen eigenen Text und Passagen aus Werken Grimmelshausens.
Dieses farwell soll nun in eine reincarnation münden. Seifert + Stöckmann wollen ihr Wohnhaus auf den Grundmauern des “Zitonenhäusch” errichten. Das neue Haus mit dem programmatischen Namen “living room” soll, auch aufgrund von denkmalpflegerischen Vorgaben, die Kubatur des Altbaus bekommen. Darüber hinaus aber wollen die Architekten einen zeitgemäßen Ersatz: “Alles andere wird anders”. Fassaden und Dach…