Alfons Hug
Farben der Tropen I
Lesenwert ist die legendäre Beschreibung eines Sonnenuntergangs von Claude Lévi-Strauss in den „Traurigen Tropen“, den er bei der Überfahrt nach Brasilien auf dem äquatorialen Atlantik erlebte: „Noch einmal flackerte die himmlische Landschaft auf in einer Skala von weißen, blauen und grünen Tönen. Doch kleine Teile des Horizonts erfreuten sich noch immer eines ephemeren, unabhängigen Lebens. Zur Linken behauptete sich plötzlich ein bisher unbemerkt gebliebener Flor gleichsam als eine Laune geheimnisvoller und vermischter Grüntöne; diese gingen zunächst in grelles, dann gedämpftes, dann violettes und schließlich schwärzliches Rot über, und schließlich sah man nur noch die unregelmäßige Spur eines Kohlestiftes, wie über körniges Papier gezogen. Dahinter schimmerte der Himmel in alpinem Gelbgrün, und der Damm blieb undurchdringlich und scharf umrissen. Am westlichen Himmel glitzerten noch einen Moment lang waagrechte kleine Goldstreifen, aber nach Norden zu war es schon beinahe Nacht.“
Brautleute, Indios, Priester
Diese phantasmagorischen Eruptionen an Farbe, die einem in den Bann nehmen, kehren in der Berliner „Tropen“-Ausstellung wieder als ein Arrangement mehrerer Dutzend Kleidungsstücke aus tropischen Regionen: Indische Brautleute, Bauern im „Goldenen Dreieck“ (Grenzgebiet von Thailand, Birma und Laos), Indios in Panama und Guatemala sowie mit „arte plumária“ geschmückte Gestalten des Mato Grosso, die große Scheiben Purpur, Gold, Kirschrot und Kobaltblau aus dem flammenden Abendhimmel herausgeschnitten und auf ihre nur aus Licht gesponnene Kleidung geheftet zu haben scheinen. (vgl. Farben der Tropen II)
Welcher Sterbliche sollte diese Kreationen tragen, die eine unergründliche Alchimie dem ersten Glimmen der Dämmerung des Tages entrissen hat?
Dieser Rausch der Sinne setzt sich fort…