Farbe und Architektur
Visuelle Einleitung in die Geschichte eines ästhetischen Phänomens
von Rainer Wick
Nicht die akribische Anhäufung einzelner historischer Fakten ist das Ziel des folgenden, äußerst verknappten Überblicks über die Geschichte der farbigen Gestaltung von Architektur vom Altertum bis zur Gegenwart (es handelt sich um den geringfügig veränderten Abdruck von Schautafeln aus dem Eingangsbereich der erwähnten Essener Ausstellung ,,Farbe und Architektur”), sondern es geht um den generellen Nachweis, daß Farbe und Architektur in nahezu allen historischen Epochen eine selbstverständliche Einheit gebildet haben. Die epochal je unterschiedlichen Konkretionen dieser Einheit von Farbe und Architektur sollen anhand einer exemplarischen Bildauswahl deutlich gemacht werden.
Klammert man an dieser Stelle die eiszeitlichen Höhlenmalereien aus der Betrachtung aus, so kann man sagen, daß die Tradition polychromer Architektur im alten Ägypten (3.-1. Jahrtausend v. Chr.) beginnt.
Neben der farbigen Innendekoration von Gräbern und Tempeln war auch das farbige Fassen von Hieroglyphen- und Figuralreliefs an Tempelfassaden und Pylonen üblich.
Nach einschlägigen Untersuchungen wurden die folgenden Pigmente benutzt: Eisenoxidrot, gelber, rötlicher und bräunlicher Ocker, Kreide, Gips und Kalk, Rußschwarz, Grün aus Malachit, Blau aus Lapis Lazuli; später wurden Grün und Blau auch aus Kobalt- und Kupferglasuren, die bei der Fayence-Herstellung abfielen, gewonnen. Die Pigmente wurden mit Leim, Eiweiß und Gummi arabicum angepastet (Temperamalerei).
Die Farbwahl erfolgte nicht unter dem Gesichtspunkt “harmonischer” Farbbeziehungen, sondern nach uralter Symbolik. So waren für die einzelnen Gottheiten unterschiedliche Farben reserviert; Pharaonen wurden in kräftigem Rot dargestellt. Ganz allgemein galt Rot als Farbe der Macht und Gewalt. Schwarz war die Farbe der Ewigkeit, Grün bedeutete Leben, Jugend und Gesundheit. Die…