CLAUDIA WAHJUDI
Face up – Zeitgenössische Kunst aus Australien
Hamburger Bahnhof, Berlin, 2.10.2003 – 4.1.2004
Die Tragödie wartet hinter einer weißen Tür. Wer sie öffnet, sieht sich Hunderten winziger Menschen gegenüber, die um ihr Leben kämpfen. Sie schwanken in Bötchen, sie rudern, rufen, winken um Hilfe und strecken ihre Ärmchen nach denjenigen aus, die bereits über Bord gefallen sind. Guan Wei hat den Vorraum einer Treppe im Hamburger Bahnhof zu Berlin mit kleinen Figuren bemalt – in Rosa, Braun, Blau und Weiß, bar jeder Zentralperspektive, seriell wie ein Tapetenmuster. Mit der scheinbar naiven Darstellung, die traditionelle ostasiatische Bildtechniken zitiert, formuliert Guan Wei einen drastischen Kommentar auf die aktuelle australische Flüchtlingspolitik gegenüber den Boat People. Gleichzeitig macht der 1989 nach Australien migrierte Künstler aus Beijing deutlich, wie sich mit bescheidenen Mitteln große Wirkung erzielen lässt – weniger ist mehr. Ein Motto, das manch anderem Raum der Ausstellung gut gestanden hätte.
Denn viele der Arbeiten, die der Hamburger Bahnhof unter dem Titel “Face up – Zeitgenössische Kunst aus Australien” versammelt, setzen auf Überwältigung des Betrachters. Vor dem Portal des Museums klaffen zwei übermannshohe, Zähne strotzende Haimäuler von Callum Morton. Drinnen im Foyer verschwindet die Kassiererin hinter James Angus` riesigem Heißluftballon, der, verkehrt herum mit der Gondel nach oben aufgehängt, die physikalischen Wärmegesetze außer Kraft setzen will. Zur Eröffnung im Trubel der Berliner Asien-Pazifik-Wochen und des Kunstherbsts mögen die beiden plakativen Arbeiten ein Ausrufezeichen gesetzt haben. Als Eingangsstatement der Ausstellung jedoch verfestigen sie den alten eurozentristischen Blick auf einen von Ozeanen umspülten, exotischen Kontinent am Ende…