Expeditionen ins Innere urbaner Mikrokosmen
Birgit Wiens im Gespräch mit dem Theatermacher und Kurator Matthias Lilienthal über „X Wohnungen“
Theaterformate wie „X Wohnungen“ arbeiten mit Verfahren ortsbezogenen Erzählens. Sie werden in verschiedenen Städten an verschiedenen Orten realisiert und dies oft weltweit. Was sie charakterisiert ist ihre Multi-Lokalität und – in dieser Form eigentlich theateruntypische – Georeferenzialität. Projekte wie „X Wohnungen“ basieren nicht auf fertigen Inszenierungen, sondern sie bedienen sich performativer Strategien, die erst vor Ort erarbeitet werden, um in urbane Mikrokosmen einzudringen: Einer Sonde gleich, eröffnen sie so dem Publikum Einblicke in Privates und machen Geschichten zugänglich, die sonst kaum öffentlich erzählt werden. Solche reisenden Projekte sind Ausdruck einer sich abzeichnenden Globalisierung von Theater und Festivalkultur, zugleich sind sie angelegt als kritische Reaktion darauf. In seiner offenen, variablen Form gibt sich Theater hier nicht unmittelbar als Kunstereignis zu erkennen, sondern fungiert – im Spannungsfeld zwischen global und lokal, zwischen öffentlich und privat – als technology of exchange, als Kunst der Begegnung, des Austauschs und der Recherche.
Matthias Lilienthal, der Erfinder der „X Wohnungen“, gilt zurecht als experimentierfreudiger Grenzgänger und Global Player, der die etablierten Häuser gelegentlich als ‚vernagelte Stadttheaterkisten’ bezeichnet und sich für die spartenmäßige Öffnung des Theaters einsetzt. In den 1990er Jahren war er Chefdramaturg an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und in dieser Funktion u.a. Entdecker Christoph Schlingensiefs. Von 2003 bis 2012 leitete er das Berliner Hebbel am Ufer (HAU), wo er Künstler wie Rimini Protokoll förderte. Auch in Berlin, sozusagen ‚zu Hause’, war die Auseinandersetzung mit dem lokalen Kontext für…