Michael Hübl
Europas Geister
»L’Europe des esprits ou la fascination de l’occulte, 1750-1950«
Musée d‘Art moderne et contemporain, Strasbourg,8.10.2011 –12.2.2012
Eine bizarre Situation: Im einsamen Osten Islands geht ein Mann zu Bett, und gerade als er das Licht ausmachen will, fällt ihm ein, dass er vergessen hat, die Läden zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen und sich um die Heizung zu kümmern. Er steht nochmal auf – und gerät in den Bann eines Leuchtens, „das stieg und sank, blendend aufstrahlte und wieder verflackerte, wogend und unberechenbar, wie heimliche Flammen des Herzens.“ Nordlicht. Es zieht ihn nach draußen in eine Winternacht, die ihn schlagartig in bohrende Selbstzweifel stürzt: Aus dem Boden steigen Menschen. Wahnvorstellungen, denkt er, kehrt zurück ins Haus, doch die Erdwesen folgen ihm in den dank eines Generators hell erleuchteten Gutshof, den sie für den Ort des Jüngsten Gerichts halten. Denn sie sind überzeugt, von den Toten auferstanden zu sein, wodurch sie den Hausherrn in einige Kalamitäten bringen: Sie glauben, er sei Gott.
Das ist die Ausgangssituation des Romans „Vikivaki“, den der seinerzeit vor allem in Dänemark und Deutschland erfolgreiche Autor Gunnar Gunnarsson 1932 herausbrachte und den der Berliner Verbrecher Verlag jetzt wiederveröffentlicht hat. Gunnarssons surreales Setting reizt ein Spannungsverhältnis aus, das spätestens seit der Aufklärung mit dem naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt einhergeht. Während einerseits physikalische, chemische, biologische Funktionsweisen zunehmend klarer vor Augen liegen und die Welt mehr und mehr beherrschbar wird, formiert sich andererseits ein ausgeprägtes Interesse am Irrationalen – an geheimnisvollen Geisterwelten, spirituellen Kräften oder sonstigen metaphysischen Prozessen. Das Musée d’Art moderne…