Doris von Drathen
Ettore Spalletti
Stichting de Appel, 12.5.-2.7.1989
Die Hand, die an der kleinen Fontäne Erfrischung suchte, war riesenhaft im Vergleich zu den umstehenden Zwergenhäusern: 1986 hat Ettore Spalletti in Soonsbek am Beckenrand eines zierlichen Säulenbrunnens eine Art Minimodell für einen Marktplatz inszeniert, der – perspektivisch gedacht – große Entfernung suggerierte: Entfernung zum real Geschauten – dem Marktplatz in seinem Heimatort Cappelle sul Tavo in der Nähe von Pescara, wo sich tatsächlich ein paar Häuser um einen Brunnen scharen; Entfernung zum Betrachter, der sich selbst in fremder Dimension erlebt; Entfernung zur Abstraktion und Annäherung an eine phantastische Welt, die in den schimmernden Pastelltönen mitschwingt.
Die Farbe ist das eigentliche Material, aus dem Spalletti seine Skulpturen schafft: Die Pigmente sind in der obersten Gipsschicht, die auf Stein oder Holz aufgetragen wird, untergemischt. Die ovalen, konischen, elliptischen Formen, die hausartigen Gebilde, die objekthaften Leinwände mit der dicken Gipsschicht sind so etwas wie Farbkörper. Aber Spalletti geht den umgekehrten Weg der Tradition aus den 60ern. Er materialisiert die Farbe nicht, sondern er überwindet mit der Farbe die Materialhaftigkeit seiner geometrischen Skulpturen: Die Pastelltöne schwimmen pudrig auf der mit Sandpapier geschmirgelten Oberfläche; die Farben sind so zwielichtig zart wie bei Tagesanbruch die silbrigen Nicht-Farben, die Konturen weichzeichnen und Gegenstände wie Wolkenbilder oder wie auftauchende Fata Morganen erscheinen lassen.
Spalletti treibt dieses Phänomen in den beiden Räumen der Stichding de Appel auf die Spitze. Der Raum selbst wird zur Skulptur – die Wände, der Boden, die Decke sind beinahe unmerklich in hellblau und rosa gefaßt – die Häuser…