PHILIPPE NYS
Ethik und Ästhetik des Gartens
DAS EWIGE AUS-DEM-LOT-SEIN DER GARTEN- UND LANDSCHAFTSKUNST
Mikrokosmos Garten
Die Konstruktion einer Hermeneutik der Orte des Wohnens, die auf einer Kunst des Gartens und der Landschaft als Ort der Vortrefflichkeit (aristos) einer politischen Gemeinschaft gründet, besteht darin, diesem System zu entrinnen – ja, soweit es möglich ist, sich erst gar nicht in dieses System zu begeben -, und die eigentlichen Gründe für diese Randlage, für diese Marginalisierung, dieses parergon zu untersuchen. Diese Vorstellung finden wir nicht, wie anzunehmen wäre, in einem aus einem explizit theoretischen Blickwinkel geschriebenen Essay über Ästhetik, sondern in einem äußerst lehrreichen Roman, in dem der Autor sehr genau auf jene Irritation hinweist, die dadurch hervorgerufen wird, daß der Kunst des Gartens genau dieser Status fehlt.1
Hier wird aber nicht bloß eine Irritation aufgedeckt, sondern vor allem gezeigt, welch hinterhältige Falle das System der schönen Künste und die Theorie der Nachahmung, die der Motor hinter diesem System ist, aufstellen: Die Suche nach Anerkennung ist vergeblich und von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn sie würde nichts anderes bewirken, als den “fundamentalen Mangel” des Gartens zu verstärken. Im Gegensatz dazu steht die traditionelle Konzeption des Ostens, die das Gegenstück zur westlichen Auffassung bildet, quasi die positive andere Seite der Medaille als Träger einer fast notwendigen Illusion, die ihre Identität in einer nicht-symmetrischen Beziehung begründet. Diese orientalische Tradition entkommt im wesentlichen dadurch diesem Problem des Status, daß die Gartenkunst von vornherein als vollwertige Kunst angesehen wird, genauso wie die Malerei oder die Kalligraphie, die als höchste aller…