Maribel Königer
et tous ils changent le monde
»2ème biennale d’art contemporain«
Halle Tony Garnier, Lyon, 3.9. – 13.10.1993
Ende 1968 formulierte Lawrence Weiner seine drei Gebote des Konzeptualismus: “1. Der Künstler kann die Arbeit ausführen. 2. Das Werk kann (von einer anderen Person) hergestellt werden. 3. Die Arbeit braucht nicht realisiert zu werden.” Heute, 25 Jahre später, hat Weiner seine Statuten mit einem zweiflerischen Zusatz ergänzt: “aber … können sie einen Kirschkuchen machen?” Einbruch der realen Lebenswelt ins Reich der Theorie? Siegt nun doch noch die Sinnlichkeit über den puritanischen Ikonoklasmus? Mißverstandene feministisch-politische Korrektheit?
In Lyon, Hauptstadt der französischen Kochkunst, legt nur Lawrence Weiner diesen kulinarischen Humor an den Tag. Die übrigen auf der zum zweitenmal stattfindende Biennale für zeitgenössische Kunst versammelten Kollegen waren mit gewohntem Ernst bei der Sache, ganz gemäß dem euphorischen, einem Gedicht von Julian Beck entlehnten Motto der Veranstaltung: “et tous ils changent le monde”. In einer ehemaligen Großmarkthalle haben die Kuratoren Thierry Raspail und Thierry Prat vom Musée d’art contemporain de Lyon fünfzig Weltveränderer mit (geschätzt) über tausend Exponaten zu einem Parcours durch achtzig Jahre Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts aneinandergereiht: von Malewitschs Kostümentwürfen zum “Sieg über die Sonne” von 1913 bis zu Imi Knoebels jüngsten Arbeiten aus diesem Jahr. Möglicherweise als Reflex auf die erste Biennale 1991, die der französischen Kunst gewidmet war und als zu provinziell gescholten wurde, wählte man diesmal ausschließlich verdiente Größen des Kunstbetriebs aus. Neulinge hatten keine Chance. Die Bezeichnung “Biennale für zeitgenössischen Kunst” führt daher in die Irre.
Eine in fünf gleich große…