Erwin Wurm – Plastik und Zeitlichkeit
Zwei Tendenzen liegen in jeder Plastik verborgen: die eine geht zum Fetisch, die andere zum Monument. Der Fetisch ist Gebrauchsobjekt, vergänglich, wirkt durch Magie, Berührungszauber. Die Perspektive des Monuments hingegen verliert sich in der Ewigkeit; wenn schon nicht das Tote, so doch das “angehaltene Leben” rückt hoch, über alle Geschäftigkeit und Zeitlichkeit empor.
Verlebendigung einerseits und Erstarrung andererseits, Pygmalions Begehren hier, der Traum Ägyptens dort, diese beiden Elemente scheinen in jeder Plastik miteinander zu ringen; ebenso Herders “Plastik” von 1778 und Winkelmanns “Über die Nachahmung der Alten” (20 Jahre früher erschienen). Bei Herder ist das Begreifen der Plastik ein Betasten, ein Berührungszauber wie beim Fetisch, das Fühlen der Hand ist gleichzeitig das Fühlen der Seele. Bei Winkelmann dagegen geht es um die am Auge, durch die visuelle Wahrnehmung des Schönen entzündete, spirituelle Vision. (Hand und Gefühl bei Herder, Sehen und Geistigkeit bei Winkelmann).
Die wesentlichen Elemente in Erwin Wurms Kunst sind nun das Holz und die Farbe. Das Holz könnte die Antithese sein zu Winkelmanns heroischem Marmor, die Farbe das Gegenstück zu Herders blindfühlender Hand.
zum Holz:
Die Holzskulptur ist besonderes Genre des Expressionismus. Im Rückgriff auf gotische und sogenannte primitive Skulptur hat man versucht, ein neues Pathos und ein neues Ethos zu kreieren, und beides – gegen Nietzsche – miteinander zu versöhnen. Neuerdings greifen Baselitz und Lüpertz auf die ältere (eben nietzscheanische) Gegensätzlichkeit des Pathetischen und des Moralischen zurück. Da sieht man deutlich, wie gänzlich außerhalb dieser Tradition Erwin Wurm steht. Nichts Pathetisches, nichts Moralisches gibt es bei…