Wieland Schmied
Erstarrung und Aufbruch
Thesen zur Ikonografie von Surrealismus und Sachlichkeit
Die Konzeption dieser Ausstellung setzte hei den Themen an, mit denen die Künstler der zwanziger Jahre sich immer wieder auseinandergesetzt haben. Diese galt es ernst zu nehmen und zu befragen. Ihre ikonographischen Inhalte sind alles andere als gedankenlos übernommene Klischees der Kunstgeschichte. Sie vermögen uns, spüren wir ihren möglichen Bedeutungen nach, sehr viel über ihre Urheber wie über ihre Zeit zu sagen.
Die Aufgabe war, am Beispiel einiger häufig wiederkehrender Motive und Motivgruppen, zwei für die zwanziger Jahre typische künstlerische Bewegungen, die von unterschiedlichen existentiellen Haltungen ausgehen, einander zu konfrontieren: Sachlichkeit und Surrealismus. Wir könnten sie auch als Erstarrung und Aufbruch bezeichnen.
Beide wurzeln im Werk Giorgio de Chiricos, des Schöpfers der Pittura Metafisica. De Chirico drückte zuerst in seinen eindringlichen Visionen leerer, von Renaissance-Architekturen umstellter Plätze Angst, Isolation und Orientierungslosigkeit des modernen Menschen in einer ihm fremder werdenden Welt aus. Wir können sie und das von ihnen vermittelte Bewußtsein treffend als Konsequenz ökonomischer Prozesse mit Begriffen der marxistischen Theorie wie Entfremdung und Verdinglichung beschreiben, wir können sie aber auch von Nietzsche her verstehen, der von einer Umwertung aller Werte sprach: die von Marx analysierten und prognostizierten Veränderungen des gesellschaftlichen Gefüges wurden immer wieder in den von Nietzsche geprägten Termini erlebt. Nietzsches Satz ‘Gott ist tot’ bringt den Zerfall der Werthierarchien des 19. Jahrhunderts auf die knappste und eindringlichste Formel.
Der alte Sinnzusammenhang ist zerbrochen. Der Mensch, auf sich gestellt, sucht neue Möglichkeiten der Orientierung. Er findet sie in der Abstraktion und in…