Dietmar Elger
Erika Kiffl besucht Gerhard Richter 1967 und 1977
1979 erschien von Erika Kiffl das Buch „Künstler in ihrem Atelier. Eine Fotodokumentation“. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich den schmalen quadratischen Band auf dem Büchertisch der Kunstbuchhandlung am Hamburger Klosterstern entdeckt und sofort erworben habe. Für mich war das Buch damals eine kleine Offenbarung, und es hat mich mein Studium hindurch begleitet. Denn diese Fotos von Kiffl haben mir eine Sicht auf die zeitgenössische Kunst gewährt, die die traditionelle Kunstgeschichte und ihr Studium nicht bieten können: Den unmittelbaren, dokumentarischen Blick in die Produktion von Kunst im Atelier.
Nur ein einziges anderes Buch hat mich zu jener Zeit in ähnlicher Weise fasziniert. Einige Monate zuvor hatte ich an gleicher Stelle bereits den Katalog des Stedelijk van Abbemuseum Eindhoven mit Gerhard Richters neuen „Abstrakten Bildern“ gekauft. Bei Kiffl fand ich diese Bilder wieder. Hier aber nicht als isolierte Bildreproduktionen auf weißen Katalogseiten, sondern an den Atelierwänden hängend, teilweise abgestellt, aneinandergelehnt, zur Seite geräumt. Eine dieser großformatigen Leinwände, das „Abstrakte Bild (429)“ von 1977 hatte Richter sogar ganz unprätentiös gegen die im selben Jahr entstandene „Doppelglasscheibe (416)“ gelehnt.
DIE KUNST IM ZUSTAND DER UNSCHULD
Manchmal lässt sich auf einer solchen Fotografie auch ein Bild entdecken, welches diesen Raum tatsächlich nie verlassen hat. Es handelt sich dabei um solche Werke, die der Künstler später wieder verworfen, übermalt oder zerstört hat. Auf einer der bereits 1967 entstandenen Aufnahmen ist das Detail eines solchen Bildes im Hintergrund zu erkennen. Für den Betrachter sind dies glückliche Gelegenheiten,…