Michael Hübl
Erich Reiling: Schatten-Sprünge
Galerie van Aken, Köln, 7.3.-9.4.1986
Zwei Schatten verrenken sich auf dem Kopfsteinpflaster. Er, Borsalino auf dem Kopf, halb kniend. Sie, im Ausfallschritt, Brust raus, den linken Arm von sich gestreckt -ein von den Strahlen der Sonne verkrüppeltes Stäbchen. “Still” aus dem Gangsterfilm “Rififi”, den Jules Dassin vor 32 Jahren drehte. Es ist nicht anzunehmen, daß dieser Streifen zu den frühkindlichen Seherfahrungen des Zeichners und Malers Erich Reiling, Jahrgang 1953, gehört. Die Rififi-Szene zeigt lediglich Ähnlichkeiten mit den mehrere Meter langen, eineinhalb Meter hohen Papier-Arbeiten Reilings. Angegriffene, partiell zerstörte Silhouetten auch da, schwarze Menschen-Reste inmitten grafitiartiger Strukturen. Sie sind das Ergebnis eines Monotypie-Verfahrens, sind Abdrucke von seinen schweren, schwarzen Malereien, auf denen die dicken Acryl-Schichten zu einer glatt-groben, faltigen und fast fett glänzenden Rhinozerus-Haut langsam trocknen. Diese Monotypien hat Reiling teils so belassen wie sie kamen, teils hat er sie überklebt, übermalt, ergänzt um jene schwarzen Scherenschnitt-Gebilde, die das (beinah) ausschließliche Thema seiner Arbeiten ausmachen. Dunkle, zu schlichten Schemen reduzierte Figuren stehen in seinen Bildern, spreizen die Beine, strecken die Arme von sich, starten zum Sprung, erscheinen aggressiv oder ausgeglichen, statisch oder voll Dynamik.
Sie sind Reilings alleiniges Motiv, doch sind sie eingebunden in den Malprozeß, dessen Ergebnis sie ebenso darstellen wie eines seiner Elemente. Die scheinbare Differenz zwischen Motiv und Malhaut, wie sie die illusionistische Malerei vorgaukelt, sie ist in der finsteren Mono(non)chromie des Schwarz aufgehoben. Der quasi-menschliche Gegenstand, die zeichenhafte Figur mögen dabei als Vorwand, als Stütze erscheinen, um beim Malen in dunkler Gleichtönigkeit die Orientierung nicht…