Erfahrung und Zeit im Video
Mit Maurizio Lazzaratos Buch “Videophilosophie. Zeitwahrnehmung im Postfordismus” liegt nun auf Deutsch sein Versuch vor, einen zeitgenössischen Blick auf ein schon älteres Medium zu werfen. In seinen vielfältigen Formulierungen ist Video aus aktuellen Ausstellungen nicht mehr wegzudenken. Umso begrüßenswerter, dass der italienische Philosoph und Aktivist Lazzarato sich an eine Theoretisierung macht.
Er versucht im Sinne seiner früheren Texte, die durch die so genannte Digitalisierung eingetretenen Paradigmenwechsel philosophisch, kulturell, historisch und soziologisch in ihren Konsequenzen für den Subjekt- und den Arbeitsbegriff aufzuzeichnen. Ausgehend von einer an Gilles Deleuze angelehnten, optimistischen Lektüre des Philosophen Henri Bergson, konfrontiert Lazzarato den Begriff der “Zeitkristallisation” als Wahrnehmung des Seienden im Bild mit Marx’ Begriffen der “Arbeits- und Lebenszeit”, der “Produktion” und des “Wertes”. Er verfolgt die Funktion der “elektronischen und digitalen Technologien” als “Kristallisationen (Synthesen) von Zeit”, um die neue “Subjektivität” im Kapitalismus zu definieren, die sich untrennbar von den digitalen Medien etabliert: “Die Lebenszeit entspricht der Komplexität der Semiotiken, Kräfte und Affekte, die an der Produktion von Subjektivität und Welt beteiligt sind und deren Kreativität von den fortgeschrittenen Organisationsformen des zeitgenössischen Kapitalismus integriert wird.” (S. 7)
Seine Hypothese – “die Maschinen der Video- und Digitaltechnologien kristallisieren – wie der Geist – die Zeit” (S. 9) – verwebt Lazzarato mit der aus poststrukturalistischer Sicht problematischen Ontologie Bergsons. Seiner Herleitung einer Bildwahrnehmung als Zeitkristallisierung folgt man immer dann gerne, wenn diese Begriffe im Kreuzverhör einschlägig bekannter Autoren wie Deleuze und Guattari oder Benjamin und Adorno stehen: das Kapitel “Ökonomie und affektive Kräfte” kann als…