Johannes Meinhardt
Erdmut Bramke
Württembergischer Kunstverein, 12.6. – 29.7.1990
Mit den 23 großformatigen Acrylgemälden aus den letzten fünf Jahren, die im Württembergischen Kunstverein Stuttgart gezeigt werden, demonstriert Erdmut Bramke eine zunehmende Ablösung von den rhythmischen Strukturen und Gegensätzen ihrer früheren Arbeiten. Wo die Arbeiten der ersten Hälfte der achtziger Jahre sich auf den Gegensatz zwischen einem linearen, meist vertikalen Gerüst und einer vielschichtigen, wolkigen und unbestimmbaren Fläche stützten, integriert sie in den neueren Arbeiten diesen Gegensatz in das Spiel der unterschiedlichen Schichten selbst: Der Gegensatz zwischen rhythmischem Gerüst und weitgehend transparenter, vielschichtiger Fläche artikuliert sich nun als Feld von Übergängen und Abstufungen, in den Verflechtungen oder Netzen von dünnen, in sich homogenen Strichlagen. Diese sind schon keine geordneten, geregelten Raster mehr, behaupten aber auch noch nicht gestische Bedeutsamkeit oder Expressivität; sie halten sich in einer weitgehend neutralen Zwischenstellung zwischen Ordnungsgitter und gestischem Ausdruck, sie überlagern einander und verflechten sich optisch miteinander in einer flimmernden oder flackernden Unentscheidbarkeit der Ebenen, des Aufbaus der Schichtungen.
Genauso hat Erdmut Bramke den Gegensatz zwischen klaren Linien und wolkigen Flächen in eine innere Spannung der Malerei selbst aufgelöst: im Spiel der Schichtungen werden die einzelnen Schichten, aus relativ homogenen Strichen, durch Überlagerungen mit weiteren transparenten Schichten zerrissen und optisch vieldeutig; die Überlagerung erzeugt teilweise scharfkantige, trockene `Inseln’, stark farbige Reste der früheren, tieferen Schichten, teilweise wolkige Auflösungen und `Auswaschungen’ der artikulierten Kanten und Flächen. Dabei zeigen sich sowohl die wie Decollagen aussehenden, aber tatsächlich durch Aussparung entstandenen `Inseln’ als auch die wie Auswaschungen aussehenden, aber tatsächlich durch feuchte…