Eran Schaerf: Schwellenkunde
VON HOLGER WEH
Das Künstlerhaus Bethanien (KB) in Berlin versteht sich gerne als Katalysator. Es stellt Künstlern und Künstlerinnen Atelierräume zur Verfügung, bietet Ausstellungsgelegenheit, finanziert einen Katalog und kümmert sich um Einladungen. In einem unkommerziellen, neutralen Gerüst sollen Künstler ungehindert Ideen verfolgen und zugleich die Reibefläche zu anderen nutzen können: die ideale Institution als ein fließender Übergang also – in der Realität hingegen gerinnt vieles zur Konvention. Von Februar bis Dezember 1990 war Eran Schaerf (1962 in Tel Aviv/Israel geboren; lebte seit 1985 in Berlin; 1991 Umzug nach Brüssel).ein Stipendiat des KB. Er wollte diese Gelegenheit nutzen, um innerhalb der Produktions- und Ausstellungsstrukturen einige Verschiebungen anzubringen.
Schaerf wollte z.B. keine Abschlußausstellung, sondern ließ statt dessen vor und nach seinem Aufenthalt “Einladungen” verschicken. Ungewöhnlich genug, daß zu Anfang eines Stipendiums mit einer Karte annonciert wird – wenn es sich dann aber noch um ein solch rätselhaftes Exemplar wie die abgebildete “Bachstelzenkarte” handelt, darf man sich der Verwunderung der Empfänger gewiß sein. Wer neugierig gemacht war, dem half nur der Kuvert-Aufdruck weiter: Sprechstunde von Montag bis Freitag zwischen 17 u. 21 Uhr im Raum 228 des KB.
Was den Besucher inmitten des normalen Atelierraums erwartete, waren, außer Eran Schaerf, ein Tisch, Stühle und drei Regale, auf denen Karten unterschiedlichen Formats lagen. Wie für Sprechstunden durchaus üblich, war der Zutritt auf je eine Person beschränkt. Das Gesprächsthema war offen, kreiste jedoch zumeist um die aktuelle Situation und das Sprechen selbst. Die in den Regalen liegenden Karten dienten dabei als “Gesprächsvorlagen”, d.h. “Dinge, anläßlich deren…