Denken 3000
Wolfgang Ernst
Epistemologische Medientheorie produziert immer wieder unmittelbare Kurzschlüsse mit der Alltagswirklichkeit unserer Medienkultur.
Ein Gespräch mit Birgit Richard
Wolfgang Ernst ist Medientheoretiker, er prägt Begriffe wie Medienarchäologie und Ästhetik der Datenbanken, durch die es möglich ist, vor allem die aktuellen Phänomene des Internets im Zeitalter von web 2.0. neu und zugleich historisch zu betrachten. So ist vor allem sein Hinweis auf die explizite Schriftlichkeit (html) einer Datenbank von entscheidender Wichtigkeit. Der medienarchäologische Ansatz prägt seinen Begriff des „dynamischen Archivs“, der nicht ein Archiv im heutigen Sinne beschreibt, sondern die Read-Only-Datenbank durch ein Medium ständiger Speicherung, Modellierung und Neu-Speicherung ersetzt. Der Ort, an dem sich diese immer neuen Gedächtnismetamorphosen vollziehen sollen, ist das Internet. Denn im digitalen Raum des World-Wide-Web seien die “Zeichen tatsächlich auf eine elementare Einheit” heruntergebrochen, mutieren also auch technisch die “Atome[…] des Archivs” zu Pixeln und Bits, die “verrechen-, vertausch- und übertragbar” sind. In dieser Netz-Welt der laufenden “Übertragung” kann jeder selbst entscheiden, welche Information verfügbar gemacht wird. Er benennt aber auch die Gefahren des Ungleichgewichts, mit dem ein solches, dynamisches Archiv umzugehen hätte, wie der nicht-gesicherte Zugang zum Internet für alle sozialen Schichten. Damit treten an die Stelle traditioneller Formen sozialer Ungleichheiten (arm/reich) neue Formen, ohne dass das Phänomen sozialer Ungleichheit als solches aufgehoben wird. Hinzu kommt, dass bis heute vieles erst gar nicht in dieses Archiv aufgenommen wird.
Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind mediale Dispositive von Bildgedächtnissen, non-diskursive Orte der Erinnerung, kulturelle Übertragungstechniken, technische Ästhetik und Theorie der zeitbasierten und -kritischen Medien.
Wolfgang Ernst, geb. 1959, Studium Geschichte und…