Heinz Schütz
Enzo Cucchi-Testa
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München,
1. 7.-13. 9.1987
Die Lektionen, die die Geschichte der Kunst über die Ablehnung der Moderne erteilt, haben nichts gefruchtet, denn immer noch beginnt das breite Publikum jene Künstler, die es einst bespuckte, aus sicherer historischer Distanz zu adorieren. Dementsprechend verzeichnet die Macke-Ausstellung im Münchner Lenbachhaus – wie schon zuvor in Bonn – Besucherrekorde. Derartige kollektive Kunsteuphorie reicht dann bezeichnenderweise nicht einmal über die Schwelle der gleichzeitig stattfindenden CuccHi-Ausstellung. Der am Erprobten orientierten, auf Harmonisierung zielenden Publikumshaltung steht denn auch die künstlerische Risikobereitschaft Cucchis diametral entgegen.
Für Cucchi ist der durchaus Traditionen verbundene Künstler in ständiger Bewegung – veranschaulicht wurde dies jüngst in der ganz unter dem Leitbild des Wagens stehenden »Disegno«-Ausstellung (Kunsthalle Bielefeld, Staatsgalerie München). Der Musealisierung opponierend lehnt Cucchi Retrospektiven lebender Künstler ab. Bei Gesamtkonzepten wie »Testa« im Lenbachhaus, bei denen eine Leitidee die ganze Ausstellung durchdringt, greift er nicht auf vorgefertigte Bilder zurück, sondern riskiert, indem er die Bilder erst erarbeitet, bis zuletzt das Scheitern. Insofern sich früher Berührungspunkte etwa zu Clémente und Chia ergaben, löste sich Cucchi die letzten Jahre zunehmend aus den von der Malerei dominierten Anfängen der »Arte Cifra«. Die Minimalisierung der zeichnerischen und malerischen Geste führte bei ihm zu einer wachsenden Freisetzung des Materials. So vereint »Testa« die ungewöhnlichsten Verfahren und gegensätzlichsten Materialien: armierte Betonplatten, Gummiplatten, Gummizeichnungen, Eisenblechintarsien, Spritzguß, Metallfolien, Nessel, elektrisches Licht, Kunstharz – um nur einiges zu nennen.
Konnte sich in der »Disegno«-Ausstellung das nichtmediterrane Auge durch die mitunter grelle Ästhetik Cucchis beleidigt fühlen, so ließe…