Walter Grasskamp
Entmündigung der Künstler
Zu einem “Enthüllungsbuch” über den Kunstbetrieb
Ein Buch, das die Geschichte der Kunst einmal aus der Perspektive derer schreibt, die sie gemacht haben, das also auch die Geschichte der Kunstmuseen und der Kunstkritik aus dem Blickwinkel der Künstler schildert, die diese Vermittlungseinrichtungen mit dem notwendigen Rohstoff, nämlich der Kunst, beliefern, ein solches Buch ist seit langem überfällig. Überfällig ist eine historische Analyse der Verarmung des Künstlerstandes, seiner Aufsplitterung in wenige kurzfristig Erfolgreiche und zahlreiche langfristig Erfolglose, eine Analyse auch der Ohnmacht zeitgenössischer Künstler in ihrer Kunstvermittlung, die in deutlichem Gegensatz zu ihrer Machtfülle im 19. Jahrhundert steht. Würde ein solches Buch auch noch die Mechanismen des Kunstmarktes erhellen und die zahlreichen versteckten und unverhohlenen Versuche auflisten, mit denen Kunsthändler sich der Museen bedienen, um ihre Bilder an den Mann zu bringen, es könnte mit mehr als nur oberflächlichem Interesse rechnen. Ein solches Buch ist jetzt erschienen und es ist schade, daß es von Jürgen Weber geschrieben worden ist.
Entmündigung der Künstler. Geschichte und Funktionsweise der bürgerlichen Kunsteinrichtungen. Damnitz Verlag, München 1979, 280 Seiten, 24,- DM.
Dabei ist dieser Autor auf eine Weise voreingenommen, die zum Vorteil des Buches hätte ausschlagen können: als Vertreter einer eher konservativ realistischen Kunst mit politisch-humanitärem Anspruch nimmt er eine Außenseiterposition im zeitgenössischen Kunstbetrieb ein, der von verschiedenen Spielarten der formal experimentierfreudigen Avantgarde beherrscht wird, und aus dieser Außenseiterperspektive ist sicher Vieles klarer zu sehen als von den erfolgreichen Künstlern, die inmitten des Gerangel nach Marktanteilen, Ausstellungsgelegenheiten und öffentlichen Geldern stehen und ihr Stolpern oft…